Norwegen Rundreisen

Im Bann der WetterApp – NORDIS-Leserreise auf der Postschiffroute an Norwegens Küste

Es war gerade Halbzeit auf der Nordis-Leserreise in Kooperation mit dem Nordeuropa-Reise-Spezialisten Top-Nord auf der im Mai in Dienst gestellten Havila Castor. Nordis-Autor Hans Klüche begleitet als Chronist und Guide die kleine Gruppe auf der klassischen Postschiffreise von Bergen nach Kirkenes und zurück.

Bergen zeigt am Anreisetag den Teilnehmern der NORDIS-Leserreise gleich, was Europas Regenhauptstadt am besten kann: Schauer, Platzregen, auch mal Niesel, aber dann plötzlich aufreißender Himmel, und weiße Wölkchen huschen über tiefes Blau. Also Regenzeug an, Regenzeug aus. So wird die Wetter-App unser ständiger Begleiter in Norwegens zweitgrößter Stadt und bringt uns halbwegs trocken zu den Sightseeing-Highlights für den ersten Eindruck rund um die quirlige Hafenbucht Vågen: das klassische Hanseviertel Bryggen, der zur Fressmeile gewordene Fisketorget, die alte Börse mit ihren Fresken, das Multikulti-Kneipen-Viertel mit Skostredet als Höhepunkt und die Talstation der Fløjbanen. Den Rest der Stadt erleben wir am nächsten Tag bei deutlich besserem Wetter auf einer Stadtrundfahrt, die am Jekteviksterminalen endet, wo die Havila Castor auf uns wartet.

Ålesund im Regen

„Wo?“ werden jetzt einige Norwegenfans fragen. Der ehemalige Hurtigruten-Terminal heißt jetzt Jekteviksterminalen, weil Hurtigruten nicht mehr alleinige Reederei auf der klassischen Postschiffroute – Kystruten – entlang der norwegischen Küste ist. Nach einer öffentlichen Ausschreibung und coronabedingten Lieferverzögerung der Werft ist der Konkurrent Havila inzwischen mit zwei Schiffen auf der Strecke unterwegs, zwei weitere sollen bis Jahresende folgen. Dann teilen sich Hurtigruten mit sieben und Havila mit vier Schiffen diese „schönste Küstenstrecke der Welt“, auf der jeden Tag ein Schiff Bergen Richtung Norden verlässt. Am 7. Tag der Reise „wendet“ das Schiff in Kirkenes, nur acht Kilometer von der russischen Grenze entfernt, setzt Kurs nach Süden und kommt am 12. Tag jeder Rundreise wieder in Bergen an.

Auf den ersten Tagen meinte es der Wettergott mit unserer NORDIS-Leserreise auf der Havila Castor nicht wirklich gut, der Westen Norwegens fängt wieder einmal Wolken eines Nordatlantik-Tiefs ein und nimmt ihnen ihre Regenlast ab. Ein geplanter Gruppenspaziergang durch Ålesund fällt ins Wasser. Zum Glück ist die anschließende Fahrt in den Geirangerfjord auch bei tiefhängenden Wolken ein Erlebnis. Viel Regen lässt auch Wasserfälle anschwellen und die sind nun einmal die Sahnehäubchen dieses grandiosen Fjords: die „Sieben Schwestern“, ihr Freier und der Brautschleier.

Im Geirangerfjord zeigt die Havila Castor ihre große Stärke: Das Schiff hat die größten Batteriepakete für Schiffe weltweit und kann damit bis zu vier Stunden emissionsfrei und lautlos auf ihrem Kurs geradezu dahinschweben. Den ganzen langen Weg in den UNESCO Welterbe-Geirangerfjord hinein und wieder hinaus. Als wir mit dieser für Schiffsfahrten fast schon unheimlichen Stille schließlich um die letzte Biegung des Fjords gleiten, liegt vor dem Dorf Geiranger ein Mega-Kreuzfahrtschiff unter maltesischer Flagge, die MSC Grandiosa, nach Bruttoregistertonnen fast 12-mal so groß wie unser Schiff. Eine nicht zu überriechende Dieselwolke umfängt auch uns – ein Geruch, den man in der Vergangenheit eigentlich auf jeder Schiffsfahrt wahrnehmen konnte, der aber auf Havila Castor fremd ist. Das Schiff fährt, wenn es nicht gerade seine mit Wind- und Wasserstrom geladenen Batterien nutzt, mit LNG Gas.

Nach Geiranger ist auch das historische Trondheim mit seinem Nidarosdom noch etwas „feucht“, ebenso Bodø, und leider hängen auch über den Lofoten die Wolken so tief, dass man die spektakuläre Szenerie nur ahnen kann. Zum Glück sind die NORDIS-Leserreisenden Optimisten und wissen, dass wir in fünf Tagen auf dem Weg nach Süden wieder hier entlangfahren und die Wetter-App deutet eine Besserung an.

Der Stopp in Tromsø unterstreicht dies. Die Leserreisenden nutzen die ersten trockenen Stunden für einen Gang über die Tromsøbrua zur Eismeerkathedrale und anschließend einen Bummel durch die Altstadt.

Fast sind die Regentage damit schon aus dem Gedächtnis vertrieben, den Rest erledigt das Nordkap am nächsten Mittag bei einer gemeinsamen Exkursion vom Hafen in Honningsvåg auf das spektakuläre Plateau. Das ist genau genommen nicht einmal der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes, sondern das wäre die flache Landzunge Knivskjelodden nebenan, die fast 1.500 m weiter nach Norden ragt.

Aber das Charisma des 307 Meter steil aufragenden Kaps ist eben unschlagbar und zeigt sich beim Besuch der Nordis- Leserreisenden von seiner besten Seite: ein heller Sommertag, malerische Wolkenstrukturen am Himmel, fast windstill und vor allem ist es für die zweite Juliwoche ein sehr ruhiger Tag, auch wenn vornehmlich italienische Radfahrer die ikonische Weltkugel als Fotohintergrund mit ihren Rädern belagern – aber das muss man ihnen auch anerkennend gönnen.

Eine helle Mitternachtssonnennacht mit Stopps in grandiosem Licht an kleinen Nordmeerhäfen folgt und entschädigt für die Schauer und Nieselstunden am Anfang der Reise.

Nach dieser Nacht, die wenig Schlaf übrig ließ, erreicht die Havila Castor den Wendepunkt der Reise: Kirkenes. Die Stadt im letzten Winkel Norwegens und den Längengraden nach weiter östlich als Istanbul, wirkt an diesem Sonntag wie ausgestorben. Kirkenes, das den Erzabbau, der lange und nicht nur im Guten das Schicksal der kleinen Stadt bestimmte, vor rund 25 Jahren als Haupterwerbszweig verlor und seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vom kleinen Grenzverkehr ins nur acht Kilometer entfernte Russland profitierte, erlebt gerade wieder schwere Zeiten. Doch ist es verwunderlich, wie viele russische Schiffe mit eigentlichem Heimathafen Murmansk hier trotz Sanktionen noch liegen – die meisten sind wohl beim Königskrabbenfang aktiv, einem Millionengeschäft mit geradezu mafiösen Strukturen, wie ein lokaler Guide Teilnehmern der Nordis-Leserreise erzählt. Das muss ich als Chronist der Reise einmal so stehen lassen, nachrecherchieren kann ich es in den drei Stunden, bis die Castor ihre Reise zurück nach Bergen antritt, nicht.

Teil 2 der Leserreise findet man HIER.


Die Havila-Schiffe

Die vier Havila-Schiffe tragen Namen bekannter Sterne. Schon im Dienst sind die „Havila Capella“ und die „Havila Castor“. Noch im Laufe des Jahres sollen die „Havila Polaris“ und „Havila Pollux“ ihre Reisen auf Kystruten beginnen. Alle Schiffe sind baugleich, jeweils 124 Meter lang und 22 Meter breit. 179 komfortable Doppelkabinen und Suiten bieten Kreuzfahrtkomfort, insgesamt können bis zu 640 Passagiere mitreisen, denn immer noch sind die Schiffe auf Kystruten auch ein öffentliches Transportmittel, auf dem Bewohner der norwegischen Küste wie andere Touristen von jedem der 33 Anlaufhäfen zu allen anderen Häfen reisen können.

Ein großer begehbarer Bugbereich, weitläufige offene Decks, zwei große Whirlpool-Becken, eine Deck-Bar und eine Observation-Lounge unterstreichen den Komfort der Schiffe und bieten großartige Ausblicke auf die majestätischen Küstenlandschaften. Auf dem obersten, dem 9. Deck, kann man um das gesamte Schiff herumgehen und noch oberhalb der Brücke auch in Fahrtrichtung die Aussicht genießen. Das Dachfenster der Observation-Lounge ist ein besonderer Clou. Es lässt im Sommer das helle Licht des Nordens mit bis zu 24 Sonnenstunden am Tag herein und erlaubt im Winter den Blick auf Sternenhimmel und Polarlichter.

Über den Autor

Hans Klüche

Hans Klüche lebte mehrere Jahre in Dänemark und berichtete von dort als freier Auslandskorrespondent für öffentliche rechtliche wie private Hörfunksender. Als er aus familiären Gründen wieder nach Deutschland zog, blieb er dem Land als Autor und Fotograf treu und schreibt jetzt regelmäßig im Nordis-Magazin über das kleine Königreich. Zur Recherche durchstreift er es immer wieder von Felseninseln der Ertholmene ganz im Osten bis zu den rauen Stränden der Nordseeküste. Hans verfasst jedes Jahr den Dänemark-Teil des »Nordis Skandinavien Reisehandbuch« und hat auch sonst zahlreiche Reiseführer, Bildbände und sogar ein Hörbuchmanuskript geschrieben. Außer über Dänemark veröffentlichte er schon über Island, Norwegen und Neuseeland. Alle Titel finden sich auf seiner Autorenseite bei einem großen Online-Händler (www.hans-klueche.de). Aktuell Lieferbar sind u.a. »DuMont Reisehandbuch Dänemark«, »DuMont Reisetaschenbuch Dänemark Nordseeküste«, »DuMont direkt Kopenhagen« und über das Traumziel auf der anderen Seite der Erde das »DuMont Reisehandbuch Neuseeland«.

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