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62. Nordische Filmtage Lübeck

In diesem Jahr findet das Festival ausschließlich online statt

Text: © NFL, Titelbild: Dünnes Eis © Banijay Rights

Raue Meeresluft und Möwengeschrei. Die Männer fahren als Fischer auf See. Die Frauen verarbeiten den Fang in der Fischfabrik. Der raue Nordwesten Islands und eine junge Frau namens Ingaló, die darauf keine Lust mehr hat. Fast 140 Filme werden bei den 62. Nordischen Filmtagen Lübeck vom 4. bis 8. November 2020 via Online-Stream gezeigt. Dieses Angebot ist erstmalig bundesweit verfügbar, da das Festival in 2020 jetzt nur online stattfinden kann. »Ingaló«, der im Rahmen der Retrospektive läuft, ist einer von ihnen. Im Rahmen des traditionsreichen Filmfestivals werden Filme aus den fünf nordischen Nationen sowie aus Estland, Lettland und Litauen und Norddeutschland präsentiert. Immer im Fokus: der Norden mit seinen faszinierenden Landschaften, vielfältigen Kulturen und Bräuchen. Spannende Serienhighlights, investigative Dokumentationen, ein umfangreiches Kinder- und Jugendprogramm, mitreißende Spiel- und Kurzfilme, das Filmforum mit norddeutschen Produktionen und die Retrospektive spiegeln aktuelles Filmschaffen der Länder und Regionen wider. Dabei gelingt es den Filmschaffenden, neue Perspektiven einzunehmen, kontroverse Themen zu hinterfragen und aktuelle politische Ereignisse zu beleuchten.

Der Waldriese © Solar Films Inc.

Eine breite Themenvielfalt spiegelt der Spielfilmwettbewerb. Ein Fokus liegt dabei auf Freundschaft und Familie. In dem finnischen Spielfilm »Der Waldriese« (FI 2020) von Ville Jankeri wird der erfolgreiche Manager Pasi vor die Frage gestellt, was im Leben wirklich zählt. Sozialer Aufstieg oder Solidarität? Nach seinem Spielfilmdebüt 2011 »Tütenbierfilm« und »Gold Digger« ist dies Ville Jankeris dritter Spielfilm. In der Ensemble-Komödie »Gesellschaftsspiele« (FI 2020) belebt der Wochenendtrip einstiger Jugendfreunde alte Rivalitäten und neues Begehren. Bereits 2017 war Regisseurin X mit dem Dokumentarfilm »Once I was a Dragonfly« bei den Nordischen Filmtagen Lübeck vertreten, »Gesellschaftsspiele« ist ihr Spielfilmdebüt. In dem Film »Hoffnung« (NO/SE 2019) wird die achtköpfige Patchwork-Familie einer Theaterregisseurin nach ihrer Krebsdiagnose vor eine schwere Belastungsprobe gestellt. Politisch geht es im diesjährigen Eröffnungsfilm »Unser Mann in Amerika« (DK 2020) von Christina Rosendahl zu. Die Regisseurin zeichnet ein politisches und privates Drama um den dänischen Diplomaten Henrik Kaufmann. Als Nazi-Deutschland im April 1940 Dänemark besetzt, leisten König und Regierung kaum Widerstand. Allein Henrik Kauffmann, Botschafter in den USA, trotzt den neuen Machthabern. Er erklärt sich zum Vertreter eines freien Dänemark und zieht weitere Auslandsvertretungen auf seine Seite.

Unser Mann in Amerika © 2020 Nimbus Film

Neben spannenden Politdramen bietet das Serienprogramm der 62. Nordischen Filmtage Lübeck den Zuschauern komplexe Familienbeziehungen. In der als deutsche Premiere vorgestellten »Der Wolf kommt« (DK 2019) von Creator Maja Jul und Pernille Fischer Christensen beschreibt ein 14-jähriges Mädchen in einem Aufsatz ihren gewalttätigen Stiefvater. Daraufhin wird sie mit ihrem 7-jährigen Bruder in einer Pflegefamilie untergebracht. Doch bald stellt sich die Frage: Wer sagt eigentlich die Wahrheit?

Der Wolf kommt © Laust Trier Mørk

Auf »Dünnes Eis« (SE/IS 2020), begeben sich die Mitglieder des Arktischen Rats in der gleichnamigen Thriller-Serie, als sie versuchen, einen Vertrag zum Stopp der klimaschädlichen Ölbohrungen auszuhandeln. Zeitgleich wird ein schwedisches Öl-Forschungsschiff vor der Küste Grönlands Schauplatz eines Terroranschlags. Inmitten nationaler Interessen, Umweltaktivismus und den Herausforderungen des Klimawandels beginnt die Suche nach den Drahtziehern. In den Hauptrollen sind die Schauspielerinnen Lena Endre (Millenium-Trilogie) sowie Nukâka Coster-Waldau, die das Lübecker Publikum bereits aus »Anori« (NFL 2019) kennt, zu sehen. In der Serie »We Got This« (SE 2020) kreiert von Patrik Eklund, Santiago Gil und Schiaffino Musarra, der gleichzeitig in der Hauptrolle zu sehen ist, möchte ein arbeitsloser Werbefilmer den Mord an Olof Palme aufklären, um an die Belohnung zu kommen. Dafür schart er Komplizen, die sich die »Fantastic Four« nennen, um sich.

We Got This © Peter Cederling, SVT

Im Kinderprogramm steht familiärer Zusammenhalt im Vordergrund. In dem Familiendrama »Schwestern – Der Sommer in dem wir alleine waren« (NO 2020) erzählen Silje Salomonsen und Arild Østin Ommundsen von zwei Mädchen, die ihren Vater nach einem Unfall in der Wildnis retten wollen. In »Sune – Bester Mann« (SE 2019) gibt es ein Wiedersehen mit Sune und seiner chaotisch-unentschlossenen Familie. Hierin sind sowohl Sune als auch sein Großvater verliebt. Problematisch wird es, als die Hochzeit des Großvaters auf den gleichen Tag fällt wie der Klassenausflug von Sune. Mit visuellen Gags und Action erzählt Jon Holmberg von einer moralischen Zwickmühle. Das Jugendprogramm setzt sich mit verschiedenen Facetten von Jugendkultur auseinander. So geht es im Film »Das Rudel« (CZ/SK/LT 2020) unter anderem um Mobbing im sportlichen Umfeld. Er zeigt am Beispiel des 16-jährigen David und seiner neuen Eishockey-Mannschaft, wie schwer es sein kann, wenn man als Neuling nicht in ein Team integriert wird. 

Das vielfältige Dokumentarfilmprogramm widmet sich aktuellen politischen Kontroversen, greift aber auch viele gefühlvolle Themen wie zum Beispiel Liebe und Verlust auf. In der finnischen Dokumentation »Hymne an die Liebe« (FI 2020) sprechen alte Menschen über ihr vergangenes Liebesleben und Bedürfnisse der Gegenwart. Regisseurin Anu Kuivalainen erzählt die Geschichte von neun Personen über 70 Jahren in sensiblen Bildern, unterlegt mit selbst gesungenen Liedern. Ein aktuelles Stimmungsbild von der größten Insel der Erde liefert der Dokumentarfilm »Der Kampf um Grönland«. Soll Grönland bei Dänemark verbleiben? Unabhängig werden? Oder doch von Donald Trump erworben werden? Vier junge Protagonisten repräsentieren die widerstrebenden politischen Strömungen im Land. 

Auf kulinarische Spurensuche begeben sich gleich drei isländische Filmemacher:innen: »Reiches Land – Tradition und Geschichte des Essens in Island« (IS 2019) von Ásdís Thoroddsen ist ein appetitlicher Rundgang durch die außergewöhnliche isländische Küche von der Siedlungszeit bis zur Gegenwart. Dabei werden sowohl traditionelle Gerichte als auch neue Ernährungstrends in den Fokus gerückt. Ásdís Thoroddsen ist Produzentin und Autorin von Bühnenstücken und Hörspielen und zeichnet auch für »Ingaló« verantwortlich. In Reykjavík lehrt »Die Hausfrauenschule« (IS 2020) neben hauswirtschaftlichen Fertigkeiten vor allem Nachhaltigkeit und in »Lobster-Soup« (ES/IS/LT 2020) wird das heiter-melancholische Porträt eines Cafés in einem isländischen Fischereihafen gezeichnet. 

In der Sektion Filmforum mit Fokus auf norddeutsches Filmschaffen wirft der Dokumentarfilm »Atomkraft forever« (2020) von Carsten Rau einen beunruhigenden Blick auf die logistischen Konsequenzen des Atomausstiegs. Dabei schafft er es in den sechs miteinander verwobenen Episoden mit offener Neugier verschiedene Facetten und Herausforderungen zu zeigen, ohne diese zu bewerten. Gleich drei Regiedebüts der Sektion bei den Spielfilmen sind von Frauen: »Tagundnachtgleiche« (2020) von Lena Knauss, »Fellwechselzeit« (2020) von Eva Trobisch und »For the Time Being« (2020) von Salka Tizianas.

Der Kartenvorverkauf für das Online-Angebot beginnt ab dem 1. November, 13 Uhr auf nordische-filmtage.culturebase.org. Zum Preis von 7 Euro (regulär) oder wahlweise 9 Euro (Solidaritätspreis inkl. 2 Euro Spende) können diese ausgeliehen und innerhalb von 24 Stunden, nachdem man den Film gestartet hat, angesehen werden. Dafür muss man sich mit einer E-Mail-Adresse und einem persönlichen Passwort ab dem 1.11.20 ein Benutzerkonto bei Culturebase einrichten. Hierüber können im regulären Festivalzeitraum 4.-8. November 2020 bisher 140 Filme gestreamt werden.

Zum Online-Festivalstart gibt es auch eine virtuelle Festivalseite, erreichbar über die Homepage der Nordischen Filmtage Lübeck. Dort finden sich Videos mit Interviews, Grüßen von abwesenden Festivalgästen und vieles mehr. Das Festival kann man auch auf Facebook, Twitter und Instagram/nordicfilmdays oder dem YouTube-Kanal begleiten, dort sind u. a. auch die beliebten »Director’s Voice«-Videos von Filmschaffenden eingebunden. 

Weitere Informationen zum gesamten Programm sowie zum Streaming finden Sie online auf der Festival-Homepage www.nordische-filmtage.de.

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NORDIS Redaktion

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