Island gehört zu den Ländern, die sich dem Tourismus langsam, unter Bedingungen wieder öffnen. Im letzten Jahr wurden auf der Insel im Nordatlantik über zwei Millionen Besucher gezählt, in diesem Jahr werden bedingt durch die Corona-Krise nur 200.000–300.000 Touristen erwartet. Für mich ein Grund mehr, Island so zu erleben, wie es in den Zeiten vor dem großen Massentourismus, vielleicht zuletzt in den 90er-Jahren, war. Da ich schon immer ein Fan des langsamen Reisens bin, entschied ich mich für die Smyril Line – die einzige Autofähre, die in gut zwei Tagen von Hirtshals in Norddänemark nach Seyðisfjörður in Ostisland fährt.
Bilder und Text: © Reinhard Pantke

Über 300 km ging es ab dem 15.6. in sechs Tagen per Fahrrad bei sommerlicher Hitze von Norddeutschland durch Dänemark bis nach Hirtshals, wo die Autofähre »Norröna« ablegt. Wer an Bord geht, sollte sich am besten unmittelbar vorher unter www.covid.is registriert haben und die isländische Tracking-App »Rakning C-19« installiert haben. Spätestens sollte man beides erledigt haben, bevor die Fähre ablegt, da WLAN auf dem Schiff recht teuer ist, aber notwendig für den später an Bord stattfindenden Test. Das in Deutschland gebaute Fährschiff macht einen guten Eindruck, überall Abstandsmarkierungen, Desinfektionsmittelspender und viele Möglichkeiten, sich auf den Außendecks den frischen Wind um die Ohren pusten zu lassen und sich, vielleicht auch mit einem Bier in der Hand, zu distanzieren.
Dazu kommt, dass nur knapp 500 Passagiere an Bord sind, in normalen Zeiten könnte man über 1.300 Passagiere transportieren. Bis auf das Kino, den Fitnessbereich und die Liege-Schlafmöglichkeiten ist alles an Bord geöffnet. In der Cafeteria, im Pub und im Restaurant hat man das Sitzplatzangebot aber deutlich reduziert.
Am ersten Abend an Bord kommt zunächst die norwegische Küste in Sicht, von dort schippert man, vorbei an der Nordspitze der Shetland-Inseln, in Richtung der Färöer. Im kleinen, puzzeligen Tórshavn, mit nur ca. 19.000 Einwohnern die kleinste Hauptstadt der Welt, legt das Schiff an, um die ersten Passagiere von Bord zu lassen. Mir bleibt nur der Blick aus der Ferne auf die gemütlichen Grasdächer der Altstadt, ohne Test darf man die autonomen Inseln nicht betreten. Mit Corona-Test könnte man aber auch einen Stopover auf den Inseln buchen! Bald verschwinden auch die letzten unglaublich wilden, grünen Klippen-Inseln der Färöer hinter uns, und das Schiff schaukelt munter über den Atlantik weiter in Richtung Island.

Es ist immer wieder ein Gänsehautmoment, wenn die schroffe Küste Islands am nächsten Morgen langsam näherkommt und der kleine Leuchtturm am Fuß der mächtigen Berge auftaucht. Vorbei an kleinen Wasserfällen und einzelnen Höfen geht es bis ans Ende des Fjordes, wo die Fähre in das kleine Städtchen Seyðisfjörður einläuft, das trotz der nur 650 Einwohner im Sommer wöchentlich Anlaufpunkt der internationalen Autofähre ist.
Nach dem Einlaufen bleiben alle an Bord und warten, bis sie deckweise nach und nach zum Corona-Test gebeten werden. Dazu zeigt man einen Strichcode vor, mit dem man sich quasi identifiziert. Der eigentliche Test ist sicher nicht besonders angenehm, aber mir würden wesentlich unangenehmere Dinge einfallen. Wenn ein kurzer unangenehmer Moment der Preis ist, um diese einzigartige Insel sicher erkunden zu können, dann nehme ich ihn gern in Kauf.
Nach dem Test ging es von Bord in das Quartier, das man vorab gebucht und dessen Adresse man angegeben haben muss. Bis das Testergebnis bekannt ist, soll man sich natürlich auch nur dort aufhalten und nicht etwa Restaurants besuchen oder einkaufen gehen! Die Zöllnerin guckt nur kurz auf den Ausweis und wünscht mir »viel Glück«, als ich erzähle, dass ich zwei Monate lang mit dem Fahrrad auf Island unterwegs sein werde. In den nächsten Wochen sollen die Tests eventuell schon zwischen den Färöer-Inseln und Island an Bord gemacht werden. Da kann man nur hoffen, dass nicht zu viele Passagiere seekrank sind …
Da ich noch nicht in meiner Unterkunft einchecken konnte, hockte ich noch eine Zeit lang allein auf einer Bank, bis mir auffiel, dass ich die Bank kannte. Am Anfang meines letzten Besuches 2015 hatte ich mich dort mehr oder weniger hingeschleppt … Kurz bevor es auf den Färöern wieder auf die Fähre gehen sollte, war mir damals plötzlich zwei Tage lang sehr schlecht, ich dachte an verdorbenes Essen. Die angenommene Lebensmittelvergiftung entpuppte sich aber als akute Bauchspeicheldrüsenentzündung, und ich war überaus froh, dass ich das Schild zu der kleinen Krankenstation sah und der dortige Arzt mein Problem erkannte und mich sofort in das 700 km entfernte Reykjavík überwies und mir damit wohl das Leben rettete! So kann diese Reise 2020 doch nur besser werden!
Nach etwa 12 Stunden erreichte mich mein Testergebnis per SMS in meiner Unterkunft; bei anderen Mitreisenden auch per Tracking-App. Es sei noch zu erwähnen, dass man bisher bei den ankommenden Fährpassagieren keinen einzigen positiven Fall hatte, insgesamt hatte man bei ca. 10.000 Testungen (inkl. der per Flugzeug Ankommenden) vier positive Ergebnisse (Stand 27.6). »Negativ« ist »positiv«, und so schwang ich mich am nächsten Tag aufs Rad, wo gleich hinter der Fähre der zweithöchste Pass in Island und acht Wochen Radurlaub in Island warten. Doch das ist eine andere spannende Geschichte, von der Sie vielleicht auch hier noch einige Bilder sehen werden!

Ich konnte Börge Muxfeldt für ein Interview über die Bedeutung der Smyril Line und die aktuelle Lage gewinnen.
Können Sie sich bitte kurz vorstellen?
Ich leite das Kieler Büro der Smyril Line, wo wir seit über 15 Jahren für den deutschen Markt zuständig sind wie auch für diverse andere europäische Märkte.
Sie fahren erst seit einiger Zeit wieder im normalen Fahrplan. Welche Bedeutung hat die Smyril Line – abgesehen vom Personentransport – für Waren, die nach Island und auf die Färöer-Inseln gebracht werden? Welche wirtschaftlichen Prognose haben Sie für diese Saison?
Man kann die Smyril Line ohne Übertreibung als die vielleicht wichtigste Lebensader der Färöer-Inseln bezeichnen, denn viele Güter des täglichen Lebens werden mit einem der Schiffe der Smyril Line auf die Inseln gebracht – entweder mit der bekannten MS Norröna oder einem der aktuell vier weiteren Frachtschiffe. Die gleiche Bedeutung hat unsere Reederei für den Export, namentlich die Ausfuhr von Fisch und Fischprodukten und letztlich auch für den Tourismus. In abgeschwächter Form gilt dies sicherlich auch für Island, denn Smyril Line bietet auch die einzige Fährverbindung nach Island. Der erwähnte Tourismus, und damit sind wir bei der zweiten Frage, hat sich in den letzten Jahren permanent entwickelt, wird aber in 2020 wohl kaum ungeschoren davonkommen. Auf dem deutschen Markt wird es meiner Einschätzung nach für beide Destinationen ebenso erhebliche Einbrüche geben wie auf den meisten anderen internationalen Märkten. Die Ausnahme aus Sicht der Färöer sollte Dänemark werden, denn in Zeiten von weltweiten Beschränkungen und Hindernissen gewinnen die Färöer als nationaler Bestandteil Dänemarks als Reiseziel naturgemäß an Attraktivität.
Nun läuft der Tourismus in Island seit dem 15. Juni und auf den Färöer Inseln ab Anfang Juli langsam wieder an. Unter welchen Voraussetzungen darf man die beiden Gebiete wieder bereisen?
Beide Destinationen heißen jetzt wieder Touristen willkommen und zwar weitestgehend ohne Einschränkungen, was den eigentlichen Aufenthalt angeht. Erst kommt der Corona-Test vor Ort, dann geht es los. Dass man sich auch oder gerade als Besucher besonders genau an geltende Regeln hält, sollte keiner Erwähnung bedürfen.
Welche zusätzliche Hygienevorkehrungen hat man an Bord des Schiffes getroffen? Müssen Passagiere mit Einschränkungen auf dem Schiff rechnen, sind z. B. Restaurants oder die Bar geschlossen? Fahren Sie mit maximaler Passagierzahl?
Wir fahren definitiv nicht mit maximaler Personenzahl, sondern mit erheblich weniger Passagieren. Die Reederei ist in ständigem Kontakt mit den zuständigen Behörden in Dänemark, in Island und auf den Färöern und setzt alle Vorgaben sorgfältig um. Das Konzept beginnt mit Sicherheitsabständen bereits beim Check-in, setzt sich an Bord mit Abständen und Hygienemaßnahmen fort und endet bei einer begrenzten Personenanzahl in jedem Restaurant. Kleine Einschränkungen wird es allerdings geben, so sind z. B. das Kino an Bord geschlossen oder der Innenpool.
Wer mit der Fähre fährt, bekommt ein Gefühl für die Entfernungen, die man zurücklegen muss, um Island zu erreichen. Welche Vorteile hat die Fähre Ihrer Meinung nach gegenüber dem Flugzeug gerade in Corona-Zeiten?
Der eigentliche Vorteil des Fliegens ist sicherlich die Geschwindigkeit, in der man sein Reisezeit erreicht. Aber die Welt ist mehr als hektisch genug und entspanntes Reisen an Bord der MS Norröna, wenn man Licht und Luft sich verändern spürt, wenn man sich mit dem Geschmack von Salz auf der Zunge auf Island vorbereitet, passt viel besser zum Norden als stressige Flughäfen mit Warteschlagen und Kofferproblemen oder volle Flieger mit engen Sitzen und der kuscheligen Atmosphäre von 300 Gesichtsmasken. Das eigene Fahrzeug statt eines Leihwagens und keine Gepäckbeschränkungen statt eines Köfferchens mit 20 kg. Der Weg ist das Ziel und der Weg über den Nordatlantik ist sicherlich der schönere Weg.
Die Färöer-Inseln sind coronafrei und in Island gibt es nur wenige neue Infektionen, die Weiten Nordeuropas bieten perfekte Bedingungen, um sich zu distanzieren. Was spricht aus Ihrer Sicht gerade in diesem Jahr dafür, nach Island oder auf die Färöer Inseln zu fahren? Welche Tipps haben Sie für Island-Neulinge? Welche Regionen sind Ihre persönlichen Lieblingsgegenden?
Ich glaube, 2020 wird ein Islanderlebnis, wie es seit langen Jahren nicht mehr möglich war. Insbesondere an Orten, die für Kreuzfahrgäste erreichbar sind und/oder für Kurzurlauber aus Reykjavík, konnte es in den letzten Jahren gerne einmal voller als erwünscht sein und das sollte in 2020 nicht geschehen. Island wird, so vermute ich, so leer sein wie seit vielen Jahren nicht mehr und darin liegt für mich der Reiz, Island noch in diesem Jahr zu bereisen. Mehr Natur mit weniger Menschen, das macht 2020 so besonders. Wer noch nie in Island gewesen ist, dem empfehle ich gerne die klassische Umrundung entlang der Ringstraße, an der entlang die wichtigsten Sehenswürdigkeiten aufgereiht wie an einer Perlenkette zu finden sind. Wichtig ist bei der Planung, dass man sich ausreichend Zeit nimmt. Wer Island richtig erleben und genießen möchte, kommt langsam voran.
Danke für dieses Interview!
Infos
- Auf www.smyrilline.de findet man die aktuellen Bestimmungen zur Einreise nach Island und auf den Färöer Inseln.
- www.covid.is: Weitere Infos zu Corona auf Island und Registrierung! Bis zum 1. Juli sind die Tests gratis, danach kosten sie 9.000 bzw. 11.000 ISK.
- Mietwagen, Camper und Ausflüge: www.kria-tours.de/start/index.php
- Längere, geführte Wandertouren auf Island: www.contrastravel.com und www.wikinger-reisen.de
- www.reinhard-pantke.de: Die Seite des Autors mit vielen Bildern und Kalendern zum Thema Island.
Ich habe die Fahrt von Hirtshals nach Seydisfjördur auch gemacht. Ich bin am 02.07.2020 in Island angekommen.
Von Distanz an Bord, es waren ca 600 der möglichen 1460 Plätze belegt, kann man nur dann reden wenn man tatsächlich in der Kabine oder eben auf Deck war.
Beim Abend oder Frühstücksbufett verhielten sich die Passagiere so, als wenn es Corona nie gegeben hätte. Kein Abstand beim Anstehen oder beim Sitzen.
Ja selbst das Servicepersonal trug weder Mund-Nasenschutz noch Handschuhe.
Obwohl, im Bord Shop konnte man dies sehen, aber nicht in den Bordrestaurants, die übrigens keinerlei Plexiglasscheiben hatten.
Was mich, und viele andere Passagiere mit denen ich sprach, wirklich entsetzte, war das völlige Chaos beim anstehenden Corona Test für Island.
Die Leute, mit denen ich gesprochen hatte, standen bis zu 3,5 Stunden für den Test an, von morgens 7:30Uhr bis weit nach 11Uhr. Vor dem Raum in der der test stattfand standen die Leiute sogar dichtgedrängt. Ein Eldorado, eine ideale Brutsstätte für das Virus. Ich
kann nur hoffen dass kein einziger positiver Corona Fall an Bord war. Ich für mich hielt mich entweder in der Kabine oder an Deck auf, jedoch nur kurz in besagten Räumen.
Das Personal schien völlig überfordert.
Für mich unverständlich, da in dem Bericht oben, eine sinnvolle Verfahrenweise beschrieben ist. Ich kenne jemanden, der dies für diese Fahrt auch bestätigt. Warum das bei uns anders war? Dafür gibt es keine Erklärung.
Viele Passagiuere hätten die Reise nciht gebucht, wenn diese das vorher gewusst hätten