Entdeckungen Norwegen

Fünfeinhalb Meter unter dem Meer

Erstes Unterwasserrestaurant Europas eröffnet in Norwegen

Der Nordsee auf den Meeresboden schauen, mit Fischen, Muscheln und Wasserpflanzen auf Augenhöhe – im neuen »Under« an der Südküste Norwegens ist das möglich.

Titelbild: © André Martinsen / Text: Katrin Groth

Ein Kabeljau schwimmt vorbei – kurz scheint er in die Gesichter vor der 25 Zentimeter dicken Scheibe zu schauen, dann verschwindet er in den Tiefen der Nordsee. Möglich ist das in Europas erstem und weltweit größtem Unterwasserrestaurant »Under« am Südzipfel Norwegens. Under, was im Norwegischen »unter« oder auch »Wunder« bedeutet, stammt vom Osloer Architekturbüro Snøhetta, das in Lindesnes einen röhrenförmig ins Wasser ragenden Bau entworfen hat. An der Wasserkante hat sich der Beton bereits grün verfärbt. Schlimm? Im Gegenteil. »Es ist wichtig, dass nicht geputzt wird«, sagt Snøhetta-Chef Kjetil Trædal Thorsen. Denn die raue Betonoberfläche soll als künstliches Riff dienen. Seetang und Napfschnecken haben sich schon breitgemacht.

Die extra rau belassene Betonoberfläche soll ein künstliches Riff werden und Algen, Muscheln und Schnecken als neues Zuhause dienen © Katrin Groth

Blick auf den Meeresboden

Algen, Schnecken, Salzwasser, Wellen und Sturmflut – Under muss einiges aushalten. »Wir haben mit Experten zusammengearbeitet, die für die Öl-Industrie Betonstrukturen in der Nordsee bauen«, sagt Architekt Rune Grasdal, »und eine Membrantechnologie wie in Unterwassertunneln angewendet.« Der tonnenschwere Rohbau – die Betonwände sind einen halben Meter dick – entstand auf einem Lastkahn, wurde per Boot an Ort und Stelle manövriert. Weil die 34 Meter lange Röhre auftrieb, wurde sie geflutet, dann mit 25 Meter tief in den Boden reichenden Pfeilern verschraubt.

Elf Meter breit, über drei Meter hoch und 25 Zentimenter dick: die Acrylglasscheibe, die die Fische von den Besuchern trennt © Katrin Groth

Von drinnen geht der Blick ins Blaugrün: Wie ein versunkenes Periskop bietet das elf Meter breite Panoramafenster einen Blick auf den Meeresboden. In der Algen-Hochsaison muss wöchentlich geputzt werden, was die Besitzer – zwei Brüder, denen auch das nahe Hotel (Lindesnes Havhotell) gehört – als Taucher oft selber machen. Rund sieben Millionen Euro haben sie in den Bau investiert, der auch der Forschung dient. Erstmal gilt es, das Ökosystem unter Wasser wieder in Ordnung zu bringen, so Biologe Trond Rafoss. Ein bis zwei Jahre bräuchten Algen zur Regeneration, Muscheln deutlich länger. »Langfristig wollen wir die Population von Fischen und Meerestieren und die Artenvielfalt dokumentieren«, sagt der Biologe. Die sich auch auf dem Teller zeigen soll: Meeresfrüchte, Schnecken, Fisch und Seetang; Dinge, die oft als Beifang wieder im Meer landen, so Chefkoch Nicolai Ellitsgaard. Wer bei ihm unter Wasser speisen will, muss planen: Sechs Monate im Voraus werden die 40 Plätze vergeben. Gegessen wird aber nicht nur vor der Scheibe, dahinter ist eine Art zweites Restaurant entstanden: »Dadurch, dass abends beleuchtet ist, werden kleine Fische angelockt, die gelernt haben, dass sie hier zu fressen finden. Das lockt wiederum große Fische an«, erklärt Rafoss. Und auch Robben, Krabben und Eiderenten sollen schon zum Futtern vorbeigekommen sein.

Fisch, Seetang, Meeresfrüchte und Schnecken: Fünfeinhalb Meter unter dem Meeresspiegel wird gekocht, was das Meer hergibt © Katrin Groth

Infos & Links

UNDER, Lindesnes, Menü ab ca. 200 €, 6 Monate im Voraus reservieren, www.under.no
Lindesnes Havhotell, www.havhotellet.no 
Biologe Trond Raboss, arbeitet am NIBIO – The Norwegian Institute of Bioeconomy Research, www.nibio.no 

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