Entdeckungen Norwegen

17 Tunnel auf 17 Kilometern

Mit der Draisinenbahn ab Flekkefjord unterwegs


Bei der Planung eines Norwegenurlaubs würde ich nicht unbedingt auf die Idee kommen, dass es hier auch Draisinenstrecken gibt. Warum eigentlich? Wie in allen anderen Ländern auch, sind in Norwegen ab Mitte des letzten Jahrhunderts viele Nebenstrecken stillgelegt worden, darunter auch eine Reihe von Schmalspurbahnen. Erstaunlicherweise war diese Strecke bis ins Jahr 1990 in Betrieb. In Flekkefjord hat man die Stillegung immerhin nicht dazu genutzt alles abzureißen, sondern eine Draisinenbahn daraus zu machen. Ehrlich gesagt haben wir davon auch nur per Zufall erfahren und uns gesagt, warum eigentlich nicht einmal Draisine fahren.

Gebucht werden kann das Ganze in der örtlichen Touristinfo oder direkt unter www.flekkefjordbanen.com. Geöffnet ist die Strecke vom 1. Mai bis einschließlich 30. September, die Kosten bewegen sich mit 600,– NOK im vertretbaren Rahmen. Immerhin bekommt man dafür eine Draisine, die mit zwei Erwachsenen und bis zu zwei Kindern genutzt werden kann. Helme für alle Mitfahrer, reflektierende Westen und eine (allerdings in unserem Fall ziemlich funzelige) Taschenlampe gehören ebenfalls zur Ausrüstung. Die Mitnahme eigener Taschenlampen oder noch besser von Stirnlampen ist sinnvoll. An Bord ist auch genügend Platz für alle benötigten Picknickutensilien. Und ein Picknick einzuplanen ist mehr oder weniger Pflicht. Die Strecke ist nur einspurig, entgegenkommende Draisinen wären damit kritisch. Es ist daher vorgesehen, dass man den Wendepunkt bis spätestens 14.00 Uhr erreicht und erst nach 14.00 Uhr den Rückweg antritt. Allerdings sind offenbar nicht alle Touristen des Lesens mächtig und so kann es durchaus zu kritischen Begegnungen kommen. Eine der Draisinen muss dann von den Gleisen gehoben werden, üblicherweise die auf dem Hinweg befindliche.

Am Endpunkt der Strecke und auch unterwegs gibt es zwischen den Tunneln genügend Möglichkeiten für ein Picknick. Man muss also nicht zwangsläufig die gesamte Strecke fahren.

Verfahren geht nicht

Nach Übergabe der Draisine und den freundlichen Sicherheitshinweisen sitzen wir auf ‚unserer‘ Draisine und radeln sofort nach dem Bahnhof in den ersten, allerdings ziemlich kurzen, Tunnel. Funktionieren tut das Ganze wie ein normales Fahrrad, im Gegensatz zu einem E-Bike muss man selbst für den kompletten Vortrieb sorgen. Dafür, dass die Draisinen recht groß und auch ziemlich schwer sind, geht es aber ziemlich locker voran. Und das Schöne ist, Verfahren geht beim besten Willen nicht.

Kurz nach Verlassen des Bahnhofs gibt es die einzige Straßenquerung der Strecke. Außer durch die vielen Tunnel geht es entlang mehrerer kleiner und eines ziemlich großen Sees, mit teils beeindruckenden Aussichten. Die Strecke führt ziemlich hoch über diesen Seen entlang, entgleisen sollte man hier lieber nicht, die Abhänge sind nicht nur hoch sondern auch steil.

Unbeleuchtet, düster und kalt

Die meisten der Tunnel sind eher kurz, aber immer unbeleuchtet, dementsprechend düster und auch ziemlich kalt. Insbesondere bei dem mit rund 1.200 Metern längsten Tunnel sind wir froh, dass wir warme Jacken dabei haben. In diesem Tunnel stinkt es auch bestialisch. Der Verdacht liegt nahe, dass hier irgendwo ein verendetes Tier vermodert. Dank der nur funzeligen Taschenlampe können wir aber nichts entdecken, was vielleicht auch besser ist. Nach diesem Tunnel ist jedenfalls erst einmal kräftiges Durchatmen angesagt. Wenige hundert Meter weiter finden wir eine wunderbar für ein Picknick geeignete Stelle hoch über dem See Lundevatnet und heben die Draisine neben die Schienen. Wie an einigen anderen Stellen auch, liegen hier neben den Gleisen Reste offenbar aus der Bauzeit der Strecke. Außer Schienenstücken auch Gleisklammern, Bolzen und Schrauben, alles natürlich ziemlich angerostet. Ein circa 10 cm langes Gleisstück ziert jetzt unser Bücherregal.

Die letzten Kilometer bis zum End- und Wendepunkt bringen wir schnell hinter uns und nutzen dort die Gelegenheit für eine weitere Pause. Obwohl es mitten in der Hauptsaison ist, hält sich der Andrang hier in Grenzen, lediglich zwei andere Draisinen stehen neben den Schienen. Kurz nach 14.00 Uhr setzen die anderen Draisinenfahrer ihre Gefährte wieder auf die Gleise und starten den Rückweg. Wir warten noch ein wenig, bis sie hinter der ersten Kurve verschwunden sind, bevor auch wir uns auf den Rückweg machen.

Ständiges Bremsen ist angesagt

Der Rückweg nach Flekkefjord geht wesentlich schneller und fast völlig anstrengungsfrei, fast die gesamte Tour ist bremsen angesagt, um nicht zu schnell zu fahren und damit Gefahr zu laufen, mit der Draisine vom Gleis zu kippen. Uns ist auf dem Hinweg überhaupt nicht aufgefallen, dass es die ganze Zeit über leicht bergauf geht. Auf der Rückfahrt ist es jedenfalls nur an wenigen Stellen erforderlich, in die Pedale zu treten.

17 Tunnel auf 17 Kilometern, also insgesamt 34 Tunneldurchfahrten und 34 zurückgelegte Kilometer. Auf dem Hinweg knapp zwei Stunden reine Fahrtzeit, auf dem Rückweg deutlich weniger. Eine Freizeitaktivität der etwas anderen Art im südlichen Norwegen liegt hinter uns.


Nützliche Infos

Adresse:

Flekkefjordbanen AS, Jernbaneveien 6, N-4400 Flekkefjord

Anfahrt:

Flekkefjord liegt direkt an der E 39, ungefähr auf halbem Weg zwischen Kristiansand und Stavanger

Unterkunft:

Neben einer Reihe von Hotels und Pensionen in Flekkefjord (siehe https://de.visitsorlandet.com/flekkefjord)  liegt der Campingplatz Egenes (www.egenescamping.no/) nur wenige Kilometer entfernt.

Allgemeine Informationen:

https://www.visitnorway.de/

Reiseführer (subjektive Auswahl):

Norwegen von Armin Tima, Michael-Müller-Verlag, ISBN 978-3966850773
Norwegen von Michael Möbius, Stefan-Loose-Verlag, ISBN ‎ 978-3770166374


Fotos © Bernhard Nentwich

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Über den Autor

Bernhard Nentwich

Seit 1980 gelernter Berliner und seit Jahrzehnten bekennender Skandinavienfan hat es ihn inzwischen dutzendfach im Urlaub in den Norden verschlagen. Meist mit Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil, manchmal aber auch in ein Ferienhaus.
Nebenbei hat er seit Jahren in allen drei in Deutschland erscheinenden Kanuzeitschriften eine ganze Reihe an Artikeln zu Paddeltouren veröffentlichen können, viele davon zu Gebieten in Skandinavien. Dazu kommen noch zwei Kanu-Reiseführer, die allerdings zu Gebieten in Deutschland.

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