Entdeckungen

Myndir í trúnni – Bilder des Glaubens

Eine Sonderaustellung der Nationalgalerie der Färöer


Zentral im Bild das Kunstwerk Klæði (Kleiderstoff) des Künstlers Jóhan Martin Christiansen. Es besteht aus gefärbten Stoffwindeln und ist inspiriert vom Schweißtuch der Veronika aus dem Evangelium nach Lukas (Luk 23, 27–28).

Der christliche Glaube nimmt im Leben der Färinger eine zentrale Rolle ein. Auf den 18 Inseln finden sich mehr als 140 Kirchen und Gemeindehäuser. Über 80% der Bevölkerung gehört der evangelisch-lutherischen Volkskirche an. Etwa 11% sind Mitglied der Brøðrasamkoma (Freikirche, die zurückgeht auf die irische Brüderbewegung). Konfessionslos sind schätzungsweise nur um die 3% der Färinger:innen. Religion und Glauben stellen somit eine Grundfeste der färöischen Gesellschaft und Kultur dar. Sie tragen folglich intensiv zur Identitätsbildung bei. Kunst sowie Literatur spiegeln als reflexive Medien einer Gesellschaft folglich auch religiöse und spirituelle Inhalte wider. Aus dieser Annahme leitet sich die Frage ab, welche sich auch das Team der Listasavn (Nationalgalerie der Färöer) bei der Planung und Durchführung ihrer aktuellen Sonderausstellung gestellt hat:

Wie wird der Glaube in der Kunst der Färöer abgebildet?

Ein Blick in den Ausstellungssaal der Nationalgalerie der Färöer.

Von Februar bis Juni gab es dazu in der Listasavn eine thematische Ausstellung unter dem Titel Myndir í trúnni (Bilder des Glaubens) zu sehen. Die Kuratorin Anna Maria Dam Ziska hatte dort eine vielfältige Auswahl an sowohl historischen wie auch zeitgenössischen Werken ausgestellt. Das verbindende Element dabei war die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex »Glaube«. Das älteste Werk stammte aus dem Jahr 1842, das Jüngste aus 2022. In ihrer Eröffnungsrede bei der Vernissage am 03. Februar sprach die Direktorin der Nationalgalerie Karina Lykke Grand ausführlich darüber, welche vielschichtigen Bedeutungen der Glaube für die färöische Gesellschaft hat. Sie bezeichnete das Thema der Ausstellung als zentral und wichtig für die Färinger und die Kunst der Inseln. Auf der Vernissage sprach außerdem der Priester und Theologe Theodor Eli Dam Olsen. Neben dem Christentum ist das kulturelle Erbe der Wikinger, die nordische Götterlehre, immer noch im Bewusstsein der Färinger vorhanden. Beide Formen des Glaubens spiegelten sich in den Kunstwerken der Ausstellung wider.

Auf der linken Seite ist links außen der Wandteppich von Marianna Matras zusehen. Daneben der Scherenschnitt von William Heinesen. Auf der rechten Seite ist Edward Fugløs Werk von 2020 mit dem Titel Ólavsøkuklæði zusehen.

Die Werkauswahl reichte von Astrid Andreasens Heiligenbildern und Anker Mortensens modernen Ikonen bis zu Darstellungen der Nornen auf einem gewebten Wandteppich von Marianna Matras (entworfen von William Heinesen) oder Astri Luihns Serie Light of Darkness, die inspiriert ist vom Sjúrðarkvæði. Diese färöische Tanzballade beruht auf der germanischen Sagengestalt von Siegfried dem Drachentöter, die wir zum Beispiel aus der Nibelungensage kennen.

Astri Luihn Light of Darkness (2012)

Darüber hinaus begriff die Ausstellung »Glaube« jedoch auch als etwas Abstraktes und Spirituelles. Ein besonderes Beispiel hierfür war Anker Mortensens Gemälde Sum gjøgnum sortar sól skýggja (Wie durch eine Sonnenwolke verdunkelt) aus dem Jahr 2001. Der Titel bezieht sich vermutlich auf den gleichnamigen Psalm des dänischen Bischofs Thomas Kingo aus dem Jahr 1689.

Mortensens Gemälde ist das dritte von links. Auf der rechten Seite im Vordergrund ist Tita Vinthers Werk Pætursnótin (Peters Netz) zu sehen.

Ein besonderes Stück der Ausstellung war Tita Vinthers Pætursnótin (Peters Netz). Die Künstlerin hat für diese Skulptur menschliches Haar zu einem Netz verwebt. Der Titel des Werks erinnert an den Fischer Petrus, den Jesus im Evangelium nach Matthäus darum bittet ihm zu folgen, um ihn und seinen Bruder zu Menschenfischern zu machen (Matt. 4, 19). Im Begleittext zur Ausstellung wurde gesagt, dass Material und Form des Werks die biblische Botschaft und den färöischen Alltag miteinander verknüpfen.

Das älteste Werk der Sonderausstellung war das Altarbild der dänischen Künstlerin Eleonora Christine Tscherning aus dem Jahr 1842. Es war eine Auftragsarbeit für die Kirche in Miðvágur (Dorf auf der Insel Vágar). Es basiert auf einem Gemälde des italienischen Malers Caracci, der im 16. Jahrhundert lebte. Es zeigt die Kreuzigung Jesus Christus.

Eleonora Christine Tscherning Krossfestingin (1842)

Die Kreuzigung Jesu ist nicht nur in Werken des 19. Jahrhunderts als Motiv zu finden. Eli Smith greift es in seinem 2010 entstandenen Kunstwerk Kristus á krossi (Christus am Kreuz) wieder auf. Das Bild besteht aus unterschiedlichen Gesteinsarten. Der Künstler hat die Steine zu geschliffen und als Mosaik zu einem Bild zusammengesetzt. Kristus á krossi ist eins von fünf Werken, die sich mit Jesus‘ Tod beschäftigen.

Zu sehen sind im Hintergrund fünf Mosaike des Künstlers Eli Smith. Das Werk Kristus á krossi befindet sich in der Mitte.

Myndir í trúnni gab einen Überblick über die künstlerische Umsetzung von Religion und »Glauben« im färöischen Kontext. Die gesellschaftlich dominante Position des Christentums fand sich in der Masse der religiösen und biblischen Motive wider. Im Zentrum standen die Inhalte des neuen Testaments. Der Unterschied zu zum Beispiel der europäischen Kirchenkunst lag dabei darin, dass die alten biblischen Narrative in einen zeitgenössischen färöischen Kontext gesetzt werden. Hierzu platzierten die Künstler:innen in ihren Gemälden färöische Vögel, Pflanzen oder gar ganze Landschaften. Laut Karina Lykke Grand gilt dies besonders für Sámal Joensen-Mikines, Eli Smith, Torbjørn Olsen, Astrid Andreasen, Tita Vinther, Edward Fuglø und Tróndur Patursson. Diesen Künstler:innen ist es besonders gelungen in ihren Kunstwerken Land, Volk und Religion miteinander auf subtile Art zu verflechten. Die färöischen Jesus-Darstellungen, welche den Sohn Gottes als hellen, nordischen Mann präsentieren, reihen sich in eine gesamteuropäische Tradition ein.

Ein Schnappschuss aus der Ausstellung zeigt die Gemälde Pietà und Jesusi á vatninum (Jesus auf dem Wasser) von Sámal Joensen-Mikines

Die Sonderausstellung wurde in den färöischen Medien besonders intensiv aufgegriffen. Kringvarp Føroyar (Färöisches Radio) sendete sowohl ein Interview mit der Kuratorin Anna Maria Dam Ziska als auch eine Besprechung der Ausstellung mit den Theologen Armgarð Arge und Theodor Eli Dam Olsen. Die Zeitung Sosialurin veröffentlichte einen Beitrag von Dorit Hansen mit dem Titel Tá trúgv fær kropp (Wenn Glaube einen Leib bekommt). Eine kritische Besprechung der Ausstellung wurde von der Kunsthistorikerin Kinna Poulsen (Listaportal) verfasst. Außerdem veröffentlichte der Blogger Birgir Kruse (Birkblog) einen Bericht seines Ausstellungsbesuches.

Im Vordergrund befindet sich ein Werk von Vár B. Samulsen. Es stellt ein sog. Triptychon (dreiteiliges Altarbild) dar.

Zu sehen war die Ausstellung bis 21. Juni 2023.

Es folgt eine vollständige Liste der beteiligten Künstler:

Astrid Andreasen, Jóhan Martin Christiansen, Edward Fuglø, Sigrun Gunnarsdóttir, Heiðrik á Heygum, William Heinesen, Astri Luihn, Oggi Lamhauge, Marianna Matras, Anker Mortensen, Rannvá Holm Mortensen, Sámal Joensen-Mikines, Torbjørn Olsen, Tróndur Patursson, Eli Smith, Vár Samuelsen, Eleanor C. Tscherning und Tita Vinther.

Alle Bilder wurden mit freundlicher Genehmigung der Listasavn bereitgestellt. Sie stammen aus der offiziellen Pressemappe der Ausstellung.


Über den Autor

Theresa Kohlbeck Jakobsen

Theresa Kohlbeck Jakobsen ist zertifizierte Fremdenführerin für die Färöer und schreibt aktuell ihre Doktorarbeit zu färöischer Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Theresas Leben und Arbeiten findet im Städtedreieck Berlin - Kopenhagen - Tórshavn statt. Im Rahmen des absolvierten Skandinavistik-Studiums bereiste Theresa fast alle Ecken Skandinaviens und des Baltikums und verbrachte u. a. viel Zeit in Helsinki. Am liebsten schreibt Theresa über Kunst und Literatur der vielen kleinen und großen nordischen Inseln. Theresas Artikel erscheinen regelmäßig in der Zeitschrift Tjaldur des Deutsch-Färöischen- Freundeskreises e. V.

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