Begegnungen
Text und Fotos: Anna Lena Bercht (ein entsprechend markiertes Foto ist von Kai Nikolaisen)
Titelbild: Trockenfischproduktion auf der zu Svolvær gehörenden Insel Svinøya (März 2015)
Weg vom Schreibtisch und all den Büchern und die Forschung nach draußen ins „Feld“ verlagern – das sind für mich als Humangeographin und Wissenschaftlerin die schönsten Momente. Vor Ort sein, mit den Menschen in Kontakt treten, in ihre Erfahrungswelten und Handlungslogiken eintauchen und dabei ihre Lebenswirklichkeiten kennen lernen.
Für meine Promotion über Megaurbanisierungsprozesse und Stresserleben verbrachte ich insgesamt ein Jahr in Guangzhou, einer schnelllebigen 10-Millionen-Megastadt im Süden Chinas mit rasantem Flächen- und Bevölkerungswachstum. Mein Postdoc-Forschungsprojekt zur Küstenfischerei im Klimawandel führte mich hingegen für insgesamt vier Monate in die Arktis auf die Lofoten1, einem beschaulichen 24.000-Einwohner:innen-Archipel in Norwegen mit zerklüfteten Fjorden und kleinen Fischereihäfen an steil aufragenden Bergen. Forschungsreisen in andere Länder liefern nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch eine Vielfalt an Geschichten und Erfahrungen, die nur selten an die Öffentlichkeit gelangen. Dieser Beitrag möchte daher Einblicke in meine zwei Forschungsaufenthalte auf den Lofoten gewähren, welche aufgrund ihrer Lage in der Arktis besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Klimaschutz (Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen), Klimaanpassung und gesellschaftliche Transformation, z. B. die Anerkennung von Klimaschutz als soziale Norm, stellen somit wichtige sozial-ökologische Handlungsfelder für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung der Lofoten dar.
Küstenfischerei nördlich des Polarkreises auf den Lofoten.
Forschungsfragen im Gepäck
Immer mehr wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung über den Klimawandel gut informiert ist und ihn als eine persönliche, unmittelbare und angstauslösende Bedrohung erlebt. Und dennoch bleibt ein umfassendes Anpassungsverhalten auf der individuellen Ebene oftmals aus. Ein wichtiger Erklärungsansatz für dieses Phänomen der climate inaction, des Nichthandelns, sind psychologische Barrieren, die Menschen daran hindern, Wissen und Besorgnis in proaktives Handeln und zielgerichtete Klimaanpassung umzusetzen. Doch was genau das für psychologische Barrieren sein können und wie eine effektive Klimakommunikation zur Minderung solcher Barrieren gestaltet sein müsste, ist noch unzureichend erforscht. Um zur Schließung dieser Forschungslücke beizutragen und Erkenntnisse über die Ursachen von climate inaction zu gewinnen, habe ich im Rahmen zweier Forschungsreisen im Jahr 2015 die Lofoten-Küstenfischer:innen ausführlich zu ihren Einstellungen zum Klimawandel befragt. Im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen sind die Küstenfischer:innen aufgrund ihrer Abhängigkeit von marinen Ressourcen besonders vulnerabel gegenüber den Folgen des Klimawandels wie Meeresspiegelanstieg, Ozeanversauerung und steigende Luft- und Meerestemperaturen. Im Jahr 2015 waren auf den Lofoten 892 haupterwerbliche Küstenfischer:innen registriert.
Zwei Küstenfischer aus Svolvær verkaufen ihren Kabeljaufang an den Fischproduzenten Ballstad Fisk AS in Ballstad (ein Fischcontainer umfasst rund 250 kg Fisch, siehe Foto unten mittig).
Schon jetzt lassen sich, begründet durch die durchschnittliche Zunahme von Lufttemperatur und Winterregen, Qualitätseinbußen beim Trocknen des nordostarktischen Kabeljaus (lat. Gadus morhua) beobachten. Der durch Lufttrocknung haltbar gemachte Kabeljau der Lofoten ist das älteste Exportgut Norwegens. Schon vor rund 1200 Jahren diente der Trockenfisch (norw. tørrfisk) den Wikinger:innen als Handelsware und lebensnotwendiger Proviant auf ihren langen Seereisen. Im Zuge dieser jahrhundertealten und bis heute gesellschaftlich bedeutsamen Tradition der Trockenfischproduktion ist es ein zentrales Anliegen meiner Arbeit herauszufinden, wie die Küstenfischer:innen mit dem Klimawandel umgehen. Was denken und fühlen sie? Und wie handeln sie?
Auf Holzgestellen und in windexponierten Lagen zum Trocknen aufgehängter nordostarktischer Kabeljau (März 2015).
Von Küstenort zu Küstenort
Das Ziel meiner ersten Lofoten-Reise im März 2015 bestand darin, das Untersuchungsgebiet kennen zu lernen, Netzwerke aufzubauen und erste Interviews zu führen. Dabei war es mir wichtig, ergänzend zur Schreibtischliteratur lokalspezifische und praxisnahe Informationen zur Küstenfischerei und zum Klimawandel auf den Lofoten zu gewinnen. Diese explorative Phase der Datenerhebung umfasste vier Wochen und erfolgte zur Fangsaison des nordostarktischen Kabeljaus im Spätwinter. Um möglichst die gesamte Inselkette mit ihren vielschichtigen sozialen, kulturellen, ökologischen, ökonomischen und politischen Strukturen erkunden zu können, bereiste ich die Lofoten flexibel mit Rucksack und dem öffentlichen Nordland-Bus: von Nordosten ab Svolvær über Kabelvåg, Henningsvær, Leknes, Stamsund, Steine, Ballstad, Ramberg, Hamnøy, Sakrisøy und Reine bis zum Südwestzipfel Å und wieder zurück. Je nach Interviewsituation und Übernachtungsmöglichkeit pendelte ich zwischen einzelnen Dörfern mehrmals hin und her.
Mit dem Nordland-Bus innerhalb von vier Wochen von Svolvær bis nach Å und wieder zurück (Quelle: google earth 2020)
Stationen meiner Forschungsreise im März 2015.
Unterwegs übernachtete ich im heimeligen Kunstnerhuset in Svolvær, in weniger heimeligen Hotels, auf dem auf einer schönen Landzunge gelegenen Ørsvågvaer Campingplatz in Kabelvåg, in einfachen, aber gemütlichen Jugendherbergen mit landestypischen Holzpaneelen an den Wänden sowie in traditionellen Fischerhütten, die Rorbuer genannt werden, Buden der Ruderer (norw. ro = rudern, bo = wohnen). Diese Rorbuer dienten zwischen dem frühen 12. Jahrhundert und Ende des Zweites Weltkrieges den Fischer(:innen), die damals noch mit offenen Ruder- und Segelbooten zum winterlichen Kabeljaufang auf die Lofoten kamen, als temporäre Unterkunft. Heute werden diese beliebten, teilweise nachgebauten Fischerhütten an Reisende vermietet, die auf den Spuren der Vergangenheit wandeln und nachspüren möchten, wie die Fischer(:innen) Jahrhunderte lang gelebt und gefühlt haben mögen.
Hoch oben auf dem Hügel der zu Svolvær gehörenden Insel Svinøya liegt das heimelige rote Kunstnerhuset (großes Foto) mit hellen Zimmern und einmaligen Fensterblicken auf die zackigen Berge, schroffe Küstenlinie und den weiten Horizont.
Das Vandrerhjem in Stamsund (Fotos links), die Kraemmervika Rorbuer in Ballstad (Fotos Mitte) und Johs. H. Giaever Sjøhus og Rorbuer in Henningsvaer (Fotos rechts) boten gemütliche Unterschlupfe in Hafennähe.
Begegnungen I
Zur Erkundung der Inseln entschied ich mich bewusst gegen einen seelenlosen Mietwagen und für den „soziableren“ Nordland-Bus, um leichter mit den Insulaner:innen ins Gespräch zu kommen und alltagsnahe Impulse für meine Arbeit zu erhalten. Und tatsächlich ergaben sich vielfältige Begegnungen mit Menschen und Situationen, die nicht nur lehrreich und informativ, sondern auch herzerwärmend und charmant waren. So erzählte mir z. B. ein Busfahrer, der sich bei jedem Fahrgast, sobald er saß, fürsorglich nach seiner Sitzgemütlichkeit erkundigte – „Går det bra?“ („Hast du es gut?“) –, dass die Straßen im Winter immer häufiger eisfrei blieben und ihm diese Entwicklung Sorgen bereite. Ich solle mal darüber mit der Abteilungsleiterin der Umweltplanung der Kommune Vestvågøy in Leknes sprechen, die auch für die kommunalen Klimaanpassungsmaßnahmen zuständig sei. Dieser Busfahrer war es auch, der bei Schneegestöber den Bus plötzlich mitten auf der Straße anhielt, ausstieg, einen roten Kinderhandschuh von der Fahrbahn aufhob und ihn behutsam neben der Einfahrt eines Hauses, das einzige weit und breit, platzierte. Eine anrührende Szene, die meinen persönlichen Erfahrungen nach das starke Gemeinschaftsgefühl vieler Lofotinger:innen symbolisiert.
Blicke aus dem Nordland-Bus auf dem Weg von Henningsvær nach Å.
An der Bushaltestelle von Hamnøy traf ich zudem einen älteren Herrn, der trotz Minusgraden obenherum lediglich mit einem Baumwollhemd bekleidet war und dessen prachtvolles Bart- und Kopfhaar eine bemerkenswerte Einheit bildeten. Begeistert erzählte er mir von Steinar Larsen, dem Leiter des Trockenfischmuseums (Tørrfiskmuseum) in dem einstigen Fischerdorf Å, den ich unbedingt treffen müsse. Keiner kenne sich besser mit der Vergangenheit und Gegenwart der Lofoten-Küstenfischerei und dem anspruchsvollen Handwerk der Trockenfischproduktion aus als er.
Steinar Larsen erklärt mir in seinem Trockenfischmuseum (Tørrfiskmuseum) in Å die feine Kunst der Trockenfischproduktion. Im Obergeschoss des historischen Museums bot das Å Hamna Rorbuer og Vandrerhjem eine ideale Übernachtungsmöglichkeit.
Sowohl Steinar, der sechs Sprachen fließend spricht, und die Abteilungsleiterin der Umweltplanung in Leknes als auch andere Lofotinger:innen und natürlich die Küstenfischer:innen konnte ich als Interviewpartner:innen gewinnen. Doch auch ich wurde unverhofft zur Zielperson eines Interviews. Als ich in Ballstad mit meinem Notizblock am Kai stehend zwei Fischer beim Entladen ihres Kabeljaufangs beobachtete und den passenden Moment für eine Gesprächsanbahnung abwartete, sprach mich plötzlich ein Mann freundlich von der Seite an. Eine große schwarze Fototasche hing quer über seiner Schulter und aus seiner Daunenjackentasche lugte ebenfalls ein Notizblock. Was ich denn hier machen würde, fragte er neugierig, während er in seiner Fototasche nach einem Kugelschreiber kramte. Er sei Journalist der Lokalzeitung Lofotposten und recherchiere gerade für einen Bericht über die aktuelle Kabeljau-Saison. Das passte. Schnell kristallisierte sich unser gemeinsames Interesse für die Lofoten-Küstenfischerei heraus und so machte er mein Forschungsprojekt kurzerhand zum Thema seiner Reportage. Diese Reportage erschien zwei Wochen später in der Lofotposten und war überall auf den Lofoten erhältlich, mit einem Foto von mir neben einem Fischcontainer. Fortan kamen Menschen auf mich zu – „Dich kenne ich doch aus der Zeitung“ – und teilten mir redselig ihr Expertenwissen mit über alles, was mit Lofoten, Fisch und den sich ändernden Lebensbedingungen zu tun hat. Dem besonders interessierten Journalisten verdanke ich es, dass sich wertvolle Interviewtüren öffneten, die mir sonst verschlossen geblieben wären.
Am Kai von Ballstad Fisk AS in Ballstad. Dieses Foto erschien in einer Reportage über meine Forschung in der Lokalzeitung Lofotposten (Foto: Kai Nikolaisen, Lofotposten, 22.10.2015)
Ein halbes Jahr später berichtete der Journalist während meiner zweiten Forschungsreise erneut über meine Arbeit. In dieser Reportage startete ich als Methode der reflexiven Fotografie einen Aufruf an alle Lofoten-Küstenfischer:innen, mir selbst gemachte Fotos per Email zuzusenden, die aus ihrer Perspektive den Einfluss des Klimawandels auf ihre Mensch-Umwelt-Beziehungen dokumentieren. Es meldete sich jedoch: niemand. Das war enttäuschend, aber auch Misserfolg gehört zum Forschen dazu. Ich lernte daraus, dass ich offenbar die negativ besetzte Wirkung des sensiblen Themas „Küstenfischerei im Klimawandel“ und die damit verbundenen Ängste unterschätzt hatte. Verständlicherweise war die Motivation gering, sich über die Praktik des Fotografierens aktiv und offensiv mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen und selbstrelevante Ausschnitte sowie Ängste sogar noch zu visualisieren. Die Fortsetzung dieses Beitrags (Teil II: Klimaangst) greift diesen Aspekt der Angstvermeidung eingehender auf.
Kabeljau-WM
Seit 1991 wird Svolvær, mit rund 4400 Einwohner:innen der größte Ort der Lofoten, alljährlich Ende März zum Schauplatz eines außergewöhnlichen Spektakels: der VM i Skreifiske, der Weltmeisterschaft im Kabeljau-Angeln – eine bunte Mischung aus heiterem Volksfest und sportlichem Wettbewerb. Rund 600 wettererprobte, überwiegend aus den skandinavischen Ländern kommende Freizeitangler:innen nehmen mit großem Ehrgeiz und stoischer Ausdauer an diesem zweitägigen Wettangeln teil. Dabei winken Preise aus zwei Gewinnkategorien: der schwerste geangelte Kabeljau und die größte Fangmenge an geangeltem Kabeljau. Als kultureller Festakt ehrt die Weltmeisterschaft den geschlechtsreifen nordostarktischen Kabeljau, der für die Fortpflanzung jedes Jahr in den Wintermonaten von der nördlichen Barentssee rund 1000 Kilometer Richtung Süden wandert, bis er im Januar die Lofotenküste erreicht. Die durch den Golfstrom erwärmte Meerestemperatur (4 bis 6 °C) und der geschützte V-förmige Vestfjord zwischen den Lofoten und dem Festland Norwegens bieten für den Kabeljau ideale Bedingungen zum Laichen und Befruchten seiner Fischeier. Dann beginnt auch die alljährliche Kabeljau-Saison, in der die Küstenfischer:innen den Fisch schonend mit der Handangel, Langleine oder kleinen Stellnetzen fangen. Im April tritt der Kabeljau, der wegen seines Wanderverhaltens auch Skrei genannt wird, von skrida, altnorwegisch für „wandern“, wieder seine Rückreise in die eisige Barentssee an.
Impressionen von der VM i Skreifiske in Svolvær: Kindergartenkinder wünschen den WM-Teilnehmer:innen winkend viel Glück; Schulkinder ziehen als Fischer:innen verkleidet und mit selbst gebastelten Fangutensilien zum Marktplatz von Svolvær, wo Seemannslieder gesungen und Geschichten über den Kabeljaufang vorlesen werden; der schwerste geangelte Kabeljau bei der Kabeljau-WM 2015 wog 32,2 kg.
Etwa 80 Prozent ihres jährlichen Einkommens beziehen die Lofoten-Küstenfischer:innen aus dem Skreifang. Das entspricht einem Fangzeitraum von lediglich rund drei Monaten. Diese starke Abhängigkeit vom Skrei verdeutlicht, wie wichtig diese marine Ressource aus ökonomischer, aber auch aus soziokultureller und gesellschaftspolitischer Sicht ist. Die Küstenfischerei prägt direkt und indirekt die Lebenswelten der gesamten Inselbevölkerung, einschließlich der lokalen Wirtschaft (z. B. nachgelagerte Fischverarbeitungsbetriebe, touristische Angebote), Küstenkultur, Identitätsfindung und sozialen Infrastruktur (z. B. Schließung von Kindergärten infolge von Schrumpfungsprozessen in den Fischerdörfern durch Aufgabe der Fischerei). Durch meine teilnehmende Beobachtung der Kabeljau-WM und die unmittelbare Erfahrung von identitätsstiftenden Ereignissen, wie der öffentlichen Lesung über den Kabeljaufang, erhielt ich ein vertieftes Verständnis dafür, wie sehr die Kabeljaufischerei einschließlich der Veredelung des Fangs durch die Trockenfischproduktion untrennbar mit der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft der Lofoten verbunden ist.
Begegnungen II
Mitte September 2015 fuhr ich für drei Monate ein zweites Mal auf die Lofoten mit dem Ziel, nach einer ersten Ergebnisauswertung tiefergehende Interviews mit den Küstenfischer:innen in den skreifreien und somit weniger arbeitsintensiven Herbstmonaten zu führen. Für die ersten vier Wochen mietete ich in Ramberg eine kleine, direkt am Strand gelegene Hütte auf dem Campingplatz Ramberg Gjestegård mit eindrucksvollem Meer- und Bergblick. Von dort aus konnte ich den faszinierenden, nahezu allabendlichen Tanz der Nordlichter über der Jusnesvika-Bucht bewundern und ein majestätisches Seeadlerpärchen auf seinen Rundflügen begleiten – direkt vom Sofa aus. Doch der Hauptgrund für Ramberg war das großzügige Angebot der dort ansässigen Norges Kystfiskarlag, Norwegens Vereinigung der Küstenfischer:innen, mir ihre Räumlichkeiten und Kontakte für meine Interviews zur Verfügung zu stellen. Durch den engen Austausch mit den drei erfahrenen Leiterinnen dieser Vereinigung erhielt ich weitreichende Einblicke in das Fischereimanagement Norwegens und die Herausforderung, die Küstenfischer:innen für die Notwendigkeit zur Klimaanpassung zu sensibilisieren.
Für einen Monat mein Zuhause: eine kleine Strandhütte auf dem Campingplatz Ramberg Gjestegård am Strand von Ramberg.
Die übrigen zwei Monate wohnte ich wie schon zuvor im Kunstnerhuset auf der Insel Svinøya in Svolvær, der liebevoll geführten Herberge mit großem Wohnzimmerbereich und wohliger WG-Atmosphäre. Dort begegnete ich mit allerlei Stativen und Fotokameras ausstaffierten Nordlicht-Enthusiasten aus aller Welt, die stolz ihre schönsten Nordlichtmotive präsentierten, und ich freundete mich mit einer fröhlichen Künstlergruppe aus Norwegen an, die die Atelierräume der Herberge mit ihren stimmungsvollen Werken der nordischen Malerei zunehmend in eine imposante Kunstgalerie verwandelte. Außerdem schloss ich Bekanntschaft mit einem originellen, stets vor sich hin summenden Herrn mit weißer Igelhaarfrisur, der mir zum Abschied einen Linolschnitt von einer im Weinglas sitzenden Elster schenkte und, wie ich aber erst später herausfand, ein namhafter Künstler Norwegens ist.
Für zwei Monate mein Zuhause: das gemütliche Kunstnerhuset in Svolvær. Die Wohnzimmercouch diente abends als Arbeitsplatz zum Transkribieren der Interviews.
Während der beiden Forschungsreisen führte ich insgesamt 43 problemfokussierte Interviews mit narrativen Sequenzen auf Englisch durch, 31 davon mit haupterwerblichen männlichen Küstenfischern, den Rest u. a. mit Kommunalverwaltungen, NGOs und Fischverarbeitungsbetrieben (Küstenfischerinnen gelang es mir aufgrund ihrer geringen Anzahl nicht zu interviewen). Die Interviews fanden in den Räumlichkeiten von Norges Kystfiskarlag, in Büros, auf Hafenanlagen, auf Fischerbooten und in Cafés statt. Die Gesprächsdauer variierte zwischen 30 Minuten und fünf Stunden. Bis auf vier Interviews konnte ich alle Gespräche mit dem Einverständnis der Interviewpartner:innen mit einem Aufnahmegerät für die Datenanalyse aufzeichnen.
Orte meiner Interviews mit den Küstenfischern.
Welchen Einfluss der Klimawandel auf die Lofoten-Küstenfischerei hat und Prognosen zufolge haben wird und wie die interviewten Küstenfischer auf die Veränderung ihrer Lebensbedingungen reagieren, ist Schwerpunkt der Fortsetzung dieses Beitrags im zweiten Teil: Klimaangst
Fußnote:
1Offiziell ist Lofoten eine Region in Nordnorwegen. Das Wort „Lofoten“ gibt es in der norwegischen Sprache daher nur im Singular (z. B. „Ich fahre nach Lofoten“). Da sich im deutschen Sprachgebrauch jedoch die Bezeichnung „auf den Lofoten“ durchgesetzt hat, wird diese Pluralform auch in diesem Beitrag verwendet.
Danksagung
Ein herzlicher Dank geht an die Fritz Thyssen Stiftung für ihre Förderung meines Forschungsprojektes und an den Polarforscher und Förderer Frederik Paulsen für seinen großzügigen Reisekostenzuschuss. Zutiefst bedanken möchte ich mich zudem bei allen Interviewpartner:innen für ihre Zeit, Offenheit und ihr verständnisvolles Schmunzeln, wenn mir auf schwankenden Fischerbooten schlecht wurde oder ich dargereichten Kabeljauzungen, in Norwegen eine Delikatesse, elegant ausweichen konnte ;-).
Einblicke in das Forschungsprojekt und die Ergebnisse:
- Bercht, A. L. (2020): Tackling climate inaction: How a social identity approach matters to climate communication. Long version. Wissenschaftsmanagement Open Access, Oktober 2020. Berlin, Bonn. https://www.wissenschaftsmanagement.de
- Bercht, A. L. (2017):No climate change salience in Lofoten fisheries? A comment on understanding the need for adaptation in natural resource dependent communities. In: Climate Change 144 (4), 565-572. https://link.springer.com/article
Das ist ein sehr interessanter und toll geschriebener Beitrag, der spannende Einblicke in die Forschungsarbeit auf den wunderschönen Lofoten gewährt. Mal eine andere Perspektive auf das Leben der InsulanerInnen, welches stark vom Klimawandel betroffen ist. Gerne mehr solche Berichte!
Ein ungewöhnlicher, aber hervorragender Artikel. Es lohnt sich wirklich sehr, beide Teile (I und II) zu lesen. Mich hat vor allem der warmherzige Blick der Wissenschaftlerin auf die Menschen vor Ort berührt. Aber auch die vielen Fotos sind wunderbar. Auf meiner nächsten Lofoten-Reise werde ich die Küstenfischer mit ganz anderen Augen sehen. Danke dafür!
Eine schöne und beeindruckende Reportage!
Ein wirklich sehr schöner und bunter Bericht. Sehr empfehlenswert!
Toller Beitrag. Danke!
Hoffentlich gibt es auch einen Teil III. Ich bin in Vorfreude gespannt.
Das hoffe ich auch :).
Ich auch! Das wäre auch was für die Print-Ausgabe.
Wunderbar!
Ein Reisebericht voller Empathie und spannender Einblicke. Hat uns wirklich gut gefallen.
Wo bleibt Teil III? 🙂
Das wüsste ich auch gern!
Ein wirklich schöner Bericht!