Am 19. März wird in Finnland Kirjaston Päivä, der Tag der Bibliothek, gefeiert. Es gibt Lesestunden, Kuchen und natürlich Kaffee. Alles an diesem Tag erinnert daran, wie wichtig die Büchereien zur Förderung von Bildung und Gleichberechtigung von Groß und Klein sind. Jede Familie hat ihre eigene Büchereigeschichte. Das ist unsere…
In dem Jahr als unser Sohn eins wurde, hatten wir diesen schönen Kalender mit Illustrationen von Helsinki. Immer wenn er an der Wand vorbeilief oder vorbeigetragen wurde, schaute er sich das aktuelle Monatsbild und die Menschen darauf ganz genau an. Saunabesucher im April, das bunte Treiben auf der Esplanadi im Sommermonat Juni, Flohmarkt im September – und dann kam November. Dunkle Wolken, Menschen mit Regenschirmen, die aus einem großen roten Gebäude kommen oder in dieses hineingehen. Und alle haben mindestens ein Buch in der Hand. Ganz hinten auf dem Bild die Allergrößte Entdeckung unseres Sohnes: Sechs Kinder – die mussten immer gezählt werden – die in Regenkleidung und gelben Westen im Gänsemarsch Richtung Eingang des großen roten Gebäudes laufen. Kindergartenkinder auf dem Weg in die Bücherei. Ab dem Zeitpunkt war klar: Wir brauchen einen Büchereiausweis.
Eintauchen in die Welt der Bücher
An dem modernen Büchereigebäude waren wir schon einige Male vorbei geradelt. Aber vor lauter Einleben in das für mich noch fremde Finnland hatte ich es bis dahin nicht hinein geschafft. Das wurde schnellstens nachgeholt. Die Anmeldung vor Ort war im Nu erledigt und schon konnten wir in die bunte Welt der Bücher eintauchen. Jeder darf sich so viel Lesestoff ausleihen, wie er möchte oder tragen kann und es kostet nichts, keine Aufnahme- oder Ausleihgebühr. Die Auswahl ist riesig, die Medien und Themen sind vielfältig: Körbe flechten, Strümpfe stricken, Sprachen lernen, Autos reparieren, Künstlerbiographien, die Geschichte Finnlands oder Südamerikas, Saunabau, Saunakochen, Sauna-Lifestyle – für jeden Geschmack ist etwas dabei. Es gibt Regalreihen mit Kinderbüchern in Schwedisch, Englisch, Türkisch, Polnisch und noch viel mehr Sprachen der Welt. Auch wenn ich mal Lust auf einen aktuellen deutschen Roman habe, finde ich in der Bücherei sicher etwas. Und neben den Büchern gibt es sogar eine große Auswahl an Sportgeräten – Schlittschuhe, Hockeyschläger, Steckenpferde, Padelschläger. Aber das ist eine andere Büchereigeschichte…
Jedermannsrecht – Jokamiehenoikeus
„Der Glaube an das Lesen als Quelle von Bildung als Jedermannsrecht ist tief im finnischen Wertesystem verankert“, so bringt es Emma Aulanko, ehemalige Kulturreferentin des Finnland-Instituts in Deutschland, auf den Punkt. Lesen ist etwas für jeden und fest in den Alltag integriert. Der Zugang zu Büchern erfolgt über die Bibliotheken – und diese sind für jeden kostenfrei zugänglich. Kein Wunder also, dass die Finnen regelrechte Bücherwürmer sind: 9,8 Mal im Jahr leihen sie sich 15,7 Medien aus. Damit sind sie etwa fünfmal soviel in der Bücherei wie die Leseratten aus Hamburg, die in Deutschland Spitzenreiter dieser Kategorie sind.
Mittlerweile ist unser Sohn selbst ein Kindergartenkind. Als ich ihn einmal mittags abholte, berichtete er ganz stolz: „Mama, wir haben einen Ausflug gemacht. In die Bücherei. Und jeder durfte sich ein Buch aussuchen. Ich habe mir „Tatu und Patu“ mitgenommen.“ Ich glaube, das war im März. Denn hier ist jeder Monat Büchereimonat!
Text & Bilder: © Yasmin Schreck
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