Entdeckungen Grönland

Grönlands wilder Osten – Teil 2

Reise in eine andere Welt

Tasiilaq ist der einzige größere Ort entlang der ansonsten nahezu unbewohnten Ostküste Grönlands. Der Globetrotter und Buchautor Reinhard Pantke war dort unterwegs und gibt Anregungen für Touren und Aktivitäten in der eindrucksvollen Umgebung.

Bilder und Text: © Reinhard Pantke

Schlittenhunde und maritime Gletscher

Am Ortsrand kommt man in die „Hundestadt“, hunderte Schlittenhunde träumen dort im Sommer wohl von viel Schnee und Eis – in den langen Wintern kann man mit Hundeschlitten oder Skiern viel in diesem Winterparadies unternehmen. Trotzdem ist die Zahl der Schlittenhunde rückläufig; einen Motorschlitten stellt man im Sommer einfach in die Ecke, die Hunde benötigen auch im Sommer Futter. Die Hunde müssen ab dem Alter von sechs Monaten angekettet werden, werden „halbwild“ gehalten und sind nur auf ihren menschlichen Besitzer geprägt. Schon im Interesse der erwachsenen Hunde sollte man daher Distanz halten. Tiere, die einen Menschen gebissen haben, müssen nach grönländischem Gesetz erschossen werden.

„Tasiilaq“ bedeutet „Ort am See“ und der langgezogene Fjord, der von dramatischen Bergen eingerahmt wird, ist auf einer straßenlosen Insel die wichtigste Verkehrsader. Schon bei der Ausfahrt zum offenen Meer, kann man oft Buckel-, Finn-, Zwergwale oder Robben bestaunen.

Wer keine Zeit oder Kondition für mehrtägige Wanderungen hat, kann einige der imposantesten Plätze vom Wasser aus bestaunen. Abenteuerlustige können mit einheimischen Führern und stabilen Booten Touren machen, die zur Eiskante des Knud-Rasmussen-Gletschers führen. Dieser kalbt noch heute direkt in breiter Front ins Meer und das extra verstärkte Boot quetscht sich langsam durch das immer dichter werdende Treibeis. Während der langsamen Fahrt vor dem Gletscher geht ab und an der Motor aus. Der erfahrene Inuit-Kaptän quittiert dies grinsend mit den Worten: „Einfach ein paar Minuten warten, dann springt der Motor schon wieder an“. Außer dem Knacken des Eises und dem Rauschen des eigen Blutes ist nichts zu hören, die nächste menschliche Siedlung ist mehrere Bootsstunden entfernt. Es gibt nur noch wenige Plätze in der Welt an denen man die Stille so absolut erleben kann…

Dorf in der endlosen Wildnis

Eine von fünf kleinen Siedlungen rundum Tasiilaq ist das kleine Dorf Tiniteqilaaq. Viele Monate sind im Winter für die 90 Einwohner Helikopter und Schlitten die einzigen Verbindungen zur Außenwelt.

Viele Menschen leben hier heute von Jagd auf Robben und Wale. Wer angesichts dieser Jahrtausende alten Tradition kritisch die Stirn runzelt, sollte sich die Spuren „unseres“, modernen Lebens in Tasiilaq anschauen: Eine gigantische Müllhalde. Müll kann hier nicht vergraben und nur begrenzt verbrannt werden. Überall in der Arktis wird insbesondere Plastikmüll zum immer größeren Problem.

Direkt hinter den bunten, einfachen Holzhäusern des Dorfes, das wie jeder grönländische Ort mit mehr als 30 Einwohnern einen kleinen Laden und eine Schule hat, treibt die endlose Kolonne der Eisberge im Sermilik-Eisfjord in Richtung offene See. Manche als riesige eisige Kathedralen, manche als kleine Gebildes des Zufalls, die nur Momente in intensiven Blautönen in der Sonne glitzern, um dann von Wind auf Wellen aufgelöst zu werden. Ein Platz, dessen vergängliche Schönheit man ewig in Erinnerung behalten wird. Unmittelbar nördlich beginnen hier schon die Weiten des Inlandeises.

Armeecamp aus dem 2. Weltkrieg

Mein persönlich beeindruckendstes Erlebnis jedoch war eine Bootsfahrt durch den Ikateq-Fjord zur alten Basis von „Blue East Two “, wo sich im 2. Weltkrieg eine Landebahn der Amerikaner befand, die diese 1947 nahezu fluchtartig verließen und Gebäude, Trucks und alles Andere bis auf die Flugzeuge dort zurückließen. Vieles, was an diesem schaurig-schönen Platz zurückblieb, liegt dort seit 1947, auch Zehntausende von längst durchgerosteten Fässern, die mit Öl und anderen Substanzen gefüllt waren. Dieser abgelegene Ort war einst eine von 18 Militärbasen, die die Amerikaner im 2. Weltkrieg und zur Zeit des kalten Krieges unterhielten. Einige von ihnen werden noch heute zivil genutzt: Die Landebahn in Kangerlussuaq im Westen Grönlands, wo noch heute die Jets direkt aus Kopenhagen ankommen, ist ebenso wie die Landebahn in Kulusuk ein Relikt aus dieser Zeit.

Es gibt immer wieder Bestrebungen dort “sauber” zu machen und das Areal als Museum zu erhalten. In jedem Fall ein einzigartiger Platz in der Wildnis! Vielleicht sollten die Amerikaner dort und an anderen Plätzen erst mal aufräumen, bevor sie großspurig „Besitzansprüche“ anmelden.

Wo die Natur den Takt bestimmt

Wer sich auf Ostgrönland einlässt, wird ein atemberaubendes Stück arktische Wildnis weit abseits von Pauschalreisen und Massentourismus erleben können, in dem die Natur den Takt noch heute bestimmt und schnell jede Planung auf den Kopf stellen kann. Kaum etwas geht dort schnell, nicht umsonst ist noch heute das grönländische Wort für „Vielleicht“ das meist genutzte in der Sprache der Grönländer. Für Reisende ein magischer Ort, für die Menschen, die dort leben, noch immer ein Ort, an dem das Leben hart und entbehrungsreich ist. Wer sich darauf einlässt, wird mit einzigartigen Eindrücken und Erlebnissen belohnt werden.
Eine vergängliche Welt, die immer schneller schmilzt.

Hier geht es zum ersten Teil der Geschichte

Geführte Bootstouren und einige Unterkünfte in der Umgebung:
www.arctic-dream.com
www.sermilikadventures.com
www.tasiilaqtours.com
Boots-, Kajak- und Hundeschlittentouren und Unterkünfte in der Umgebung. Auch Touren im Winter

www.expeditiongreenland.com
Trekkingtouren im Osten von Grönland

https://visitgreenland.com/de/destinationen/tasiilaq
Ausgezeichnete Infoseite des grönländischen Fremdenverkehrsamtes

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Über den Autor

Reinhard Pantke

Der Globetrotter Reinhard Pantke (Jahrgang 67) erlebt seine Reiseziele grundsätzlich nur mit Fahrrad und Rucksack. Im Verlauf dieser Touren legte er in den letzten gut 35 Jahren insgesamt 200.000 km per Fahrrad und ohne Motor zurück. Seine besondere Liebe gehört dem Norden, seine allererste Radtour führte ihn 1983 als 17-jährigen nach Norwegen. Neben Artikeln in regionalen und überregionalen Zeitungen und Magazinen, Kalendern, Buchbeiträgen und Ausstellungen ist Reinhard Pantke auch Autor verschiedener Bildbände über Norwegen und Kanada. In normalen Jahren zeigt er im Winterhalbjahr seine Multivisionsshows einem breiten Publiikum. Für Nordis hat er er etliche Berichte über seine Lieblingsregionen verfasst.

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