Fahrrad Schweden

Herbst in Schwedens Westen

per Fahrrad unterwegs im Dalsland

Es ist Mitte Oktober, eine Zeit in der die Meisten nicht mehr an eine Fahrradreise durch Schwedens Westen denken. Doch der Wetterbericht verspricht eine Woche stabiles, sonniges Herbstwetter und ich hoffe die intensiven Farben des Herbstes zu erleben, als ich in Göteborg von der Fähre rolle. Mein Ziel ist nach kurzer Zugfahrt nach Norden ein kleiner Teil der schwedischen Schärenküste in Bohuslän und das wald- und seenreiche Hinterland entlang des Dalslandkanals.

Es geht los

Viele Unterkünfte sind schon im Winterschlaf und wer wie ich als Radfahrer nur einen begrenzten „Aktionsradius“ hat, sollte besser immer in dieser Zeit erfragen, ob und wie lange die gewünschte Unterkunft geöffnet ist. Von Munkedal radele ich mit dem Fahrrad los, die im Sommer geschäftigen Urlaubsorte Fjällbäcka und Grebbestad mit ihren schmucken Holzhäuschen und langen Bootsstegen glitzern friedlich in der Herbstsonne und die meisten Restaurants und Cafés haben nur höchstens meist noch am Wochenende geöffnet. Das gute Wetter lässt mich etwas übermütig werden und erst nach über 90 km und vielen Steigungen erreiche ich ziemlich kaputt fast im Dunkel meine kleine Miethütte auf dem Campingplatz in Vassbotten.

Unvergessliche Morgenstimmungen

Am nächsten Morgen zeigt das Thermometer Draußen Minus 3 Grad; als ich aus meiner kleinen Hütte schaue, bietet sich mir ein fast surreal schönes Schauspiel: Man hört nur Vögel, die den neuen Tag begrüßen, durch den dichten Nebel, der über den See wabert, kämpft sich langsam die Sonne und beleuchtet die herbstlich bunten Baumreihen in wunderbar warmen Licht. Aus dem Nebel taucht lautlos ein kleines Ruderboot mit zwei Anglern auf. Momente, in denen man sich wünscht, dass die Zeit nur für paar Augenblicke stillstehen kann und man alles Andere vergessen kann – es zählt nur der Augenblick!

Endlich auch wieder nach Norwegen

Nur ein paar Hundert Meter nördlich liegt am Ende des Sees die Grenze zu Norwegen, nur markiert durch ein Schild. In „normalen“ Zeiten kein Hindernis, man fährt zum Freunde besuchen auf die andere Seite und die großen Dorfsupermärkte auf der schwedischen Seiten werden normalerweise besonders von der norwegischen Kundschaft gut frequentiert, da die Preise auf der norwegischen Seite viel höher sind. Doch Corona hatte auch hier vieles geändert: Das letzte Weihnachtsfest haben die nordischen Nachbarn auf ihrer Seite des Schlagbaumes gefeiert und erst seit ein paar Tagen ist das Überqueren der Grenze wieder problemlos möglich, die kleineren Grenzübergänge waren dicht und wurden überwacht. So radele ich beschwingt für einen halben Tag über die Grenze nach Norwegen, um Stunden später bei Kornsjö wieder nach Schweden zu radeln und in Ed zu übernachten.

Der kleine 3000-Seelen Ort Ed am großen Stora Lee See ist im Sommer ein guter Ausgangsplatz für Paddeltouren auf dem See und dem über 200 km langem Dalslandkanal. Das Wasser auf den ersten 2/3 der Wegstrecke ist überall so klar und sauber, dass man die Tasse in den See halten kann und direkt aus dem See trinken kann. Heute ist der Kanal wirtschaftlich nicht mehr bedeutend und Schleusen sind nur von Mitte Juni bis Mitte/Ende August besetzt. Wer unbedingt mal das Wappentier Schwedens sehen will, sollte sein Glück in der „Dalsland Moose Ranch“ am Ortsrand von Ed versuchen.

Unterwegs am Dalslandkanal

Mit dem Fahrrad geht es weiter in Richtung Bengtfors, der frische Wind lässt mich bei 8 Grad nur selten anhalten. Wer im herrlich zwischen den Seen gelegenem Ort Bengtfors etwas Abwechslung sucht, findet dort nicht nur eine lebendige Kleinstadt mit verschiedenen Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten, sondern kann im Sommer auch auf eine andere beliebte Art, die grandiose Natur Dalslands erleben: Von Bengtfors kann man von Juni bis Anfang September auf stillgelegten Bahngleisen per Draisine geradewegs durch die Wildnis fahren und dabei vom Sattel aus stoisch dreinblickenden Elchen, Rehen oder Bibern begegnen.

Bald hinter Bengtfors sind die Seeufer südwärts dichter besiedelt. Farmen, Ferienhäuser und alte Herrenhäuser leuchten im warmen Herbstlicht am Ufer der Seen Laxsjö und Råvarp.

Mein abendlicher Übernachtungsplatz – ein Campingplatz – hat offiziell schon zu, aber der Besitzer macht eine Ausnahme und gibt mir eine traumhaft gelegene, kleine Hütte direkt am See. Ich bin der einzige auf dem Platz und bewundere einige Sternschuppen am sternenklaren Himmel. Der nächste Tag bietet auf dem Weg zum Aquädukt von Haverud viele knackige, kurze Steigungen. Noch heute ist die künstliche Wasserstraße ein bewundernswertes Meisterwerk der Technik. Wenig später geht der Dalslandkanal bei Köpmannebro in den Vänernsee über

Der letzte Morgen

Sonnenuntergang bei der Ausfahrt mit der Fähre

Morgens ist das Wasser in der Trinkflasche teils gefroren und ich bewundere den Vänernsee, der mir eigentlich das Gefühl gibt am Meer angekommen zu sein, der See ist ca. 10 Mal so groß wie der Bodensee und hat weitestgehend Trinkwasserqualität. Die Sonne lacht vom Himmel auf den letzten 60 km nach Trollhättan, wo ich in den Zug nach Göteborg steige. Stunden später sitze ich schon wieder auf der Fähre – anscheinend war Petrus mir die ganze Zeit sehr wohl gesonnen, im Norden Schwedens hat es die ersten größeren Schneefälle und Dauerfrost gegeben und auch hier in Westschweden ist für die nächsten Tage Dauerregen angesagt. Im Sonnenuntergang legt das Schiff Richtung Kiel ab und ich bin mir sicher, dass ich schon im nächsten Jahr wiederkommen werde: Für das nächste Jahr ist eine mehrmonatige, mindestens 5.000 km lange Radtour durch acht Länder um die Ostsee herum geplant…

Infobox:

  • www.stenaline.de
    Fähren unter anderem von Kiel nach Göteborg und von Dänemark nach Schweden.

Besonders Tipps des Autors:

Infos für Radfahrer:

Der Dalslandleden (siehe www.svenska-cykelsallskapet.se/leder/pdf/Dalslandsleden.pdf nur in Schwedisch) führt oft auf ruhigen Waldwegen oder Nebenstraßen durch die Landschaft. Wer nicht mit der Fähre von Kiel anreist, kann über Kopenhagen mit dem Öresundtag nach Göteborg fahren. Ansonsten kann man nur auf den Zügen von Västträffic (www.vasttrafik.se) Fahrräder mitnehmen, die schwedische Staatsbahn „SJ“ nimmt keine Fahrräder mit.

www.reinhard-pantke.de
Die Seite des Autors mit vielen Terminen zu seinen Multivisionsshows, Bildern und Kalendern.

Text & Bilder: Reinhard Pantke

Über den Autor

Reinhard Pantke

Der Globetrotter Reinhard Pantke (Jahrgang 67) erlebt seine Reiseziele grundsätzlich nur mit Fahrrad und Rucksack. Im Verlauf dieser Touren legte er in den letzten gut 35 Jahren insgesamt 200.000 km per Fahrrad und ohne Motor zurück. Seine besondere Liebe gehört dem Norden, seine allererste Radtour führte ihn 1983 als 17-jährigen nach Norwegen. Neben Artikeln in regionalen und überregionalen Zeitungen und Magazinen, Kalendern, Buchbeiträgen und Ausstellungen ist Reinhard Pantke auch Autor verschiedener Bildbände über Norwegen und Kanada. In normalen Jahren zeigt er im Winterhalbjahr seine Multivisionsshows einem breiten Publiikum. Für Nordis hat er er etliche Berichte über seine Lieblingsregionen verfasst.

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