Outdoor Schweden

Paddeltour im Tiveden-Nationalpark

Wandern in wahrsten Sinne des Wortes

Das Tourenpaddeln auf Flüssen und Seen wird oft als Wanderpaddeln bezeichnet. Diesen Begriff muss man im Tiveden wörtlich nehmen. Nur 15 Kilometer Paddelstrecke und dafür 5 Umtragestellen, das klingt nicht unbedingt verführerisch. Jedenfalls dann nicht, wenn man lieber paddelt als sein Boot über Waldwege schiebt. Die Strecke wurde uns aber mehrfach empfohlen und wir wollten sowieso endlich einmal in den Tiveden, einem Gebiet zwischen den beiden großen Seen Vänern und Vättern, allerdings in erster Linie zum Wandern.

Unser Ziel war daher der Campingplatz Tiveden, direkt am See Unden gelegen. Auf Grund der holländischen Besitzer auch viele holländische Campinggäste, nur wenige Deutsche und noch weniger Schweden – dafür aber absolut keine Verständigungsprobleme an der Rezeption. Die nicht übermäßig vielen Stellplätze verteilen sich auf 3 Wiesen etwas oberhalb des Sees und einige Stellplätze im Wald mehr oder weniger direkt am Wasser – ein für Kanuten mehr als empfehlenswerter Campingplatz. Gleichzeitig ist dieser Campingplatz auch das Ziel der Wasserwanderstrecke Bosjön – Unden; die in Schweden üblichen Aluminiumcanadier werden hier ebenfalls vermietet; und das sogar inkl. Transport zum Start.

Wir wollten aber die Strecke lieber mit unseren eigenen Kajaks paddeln. Vom Campingplatz bis zur Einsatzstelle am See Bosjön (ausgeschilderter Abzweig von der Straße Tived – Askersund) sind es 13 Kilometer mit dem Auto zu fahren.

In Anbetracht der bei uns üblichen Langsamkeit während des Urlaubs waren wir erst gegen 12.00 Uhr am Startpunkt – bei nur 15 Kilometern Paddelstrecke sollte es aber trotzdem locker ausreichen, um noch bei Tageslicht am Campingplatz zurück zu sein. Der schwedische Kanuführer hat für die Strecke eine Zeitangabe von 6 Stunden – in Anbetracht der Umtragestellen und der Tatsache, dass die meisten Paddler in Schweden eher mit langsameren Canadiern unterwegs sind, sicherlich nicht zu viel.

Die erste der vielen Umtragestellen

Kurz nach unserer Ankunft am Bosjön sitzen wir schon in den Booten und halten uns hier am rechten Ufer. Der Bosjön liegt noch nicht im Nationalpark Tivenden, so dass hier noch ein wenig Zivilisation in Form einiger Häuser direkt am Ufer vorhanden ist – allerdings alles andere als störend. Der Bosjön ist trotzdem sehr schön, auch durch die etwas ‚zerfledderte‘ Form und mehrere Inseln und Inselchen. Nach nicht einmal zwei Kilometern haben wir am westlichen Ende des Sees die erste Umtragestelle erreicht. Hier geht es lediglich über einen Straßendamm ein paar Meter zum nächsten See Stensjön. In Anbetracht der nur 50 m langen Umtragestelle verzichten wir hier auf den Einsatz eines Bootswagens. Ohne Bootswagen sollte man diese Tour allerdings definitiv nicht unternehmen, wir sind an den anderen Umtragestellen jedenfalls froh, dass wir welche dabei haben. Die etwas merkwürdig konstruierten Holzstege an den Umtragestellen machen es fast unvermeidlich, dass man wasserfeste Sandalen o.ä. trägt, mit denen man auch im Wasser ein- und aussteigen kann. Die Wege sind an allen Umtragestellen eindeutig ausgeschildert, es besteht also kaum die Gefahr, dass man die Wanderstrecken noch unfreiwillig verlängert.

Auch im Stensjön halten wir uns immer auf der rechten Seite; dieser See geht nach wenigen hundert Metern in den Kvarnsjön über. Hier werden die Anzeichen von Zivilisation, sprich Häuser am Ufer, immer weniger, bis nur noch Natur zu sehen ist. Auch an einer riesigen Biberburg paddeln wir vorbei – in Anbetracht des Sonnenscheins sind die dämmerungsaktiven Tiere allerdings nicht zu sehen. Am Ende des Kvarnsjön folgt die erste längere Umtragestelle – immerhin rund 400 Meter sind hier über einen ziemlich holperigen Waldweg zu überwinden. . Teilweise ist der Weg so steil, dass die offensichtlich sehr sicherheitsorientierten Schweden hier sogar Sicherungsseile angebracht haben – nett gedacht, aber aus unserer Sicht ziemlich übertrieben.

Jetzt sind wir im Höljevattnen, einem schmalen und lang gezogenen See. Das Paddelvergnügen ist aber nur von kurzer Dauer – der Hölljevattnen ist nur einen knappen Kilometer lang – und schon kommt die nächste Umtragestelle. Dieses Mal nur ganz kurz und eben. Der folgende noch schmalere See gehört entweder noch zum Hölljevattnen oder hat keinen eigenen Namen; jedenfalls können wir unserer Karte nichts Entsprechendes entnehmen.

Direkt am Ende der nächsten, mit 300 Metern wieder ziemlich langen, steilen und holperigen Umtragestelle befindet sich eine alte Mühle, die Aboholmskvarn. Der Bau stammt angeblich aus dem 18.Jahrhundert und ist anscheinend seit Jahrzehnten außer Betrieb und dem Verfall preisgegeben.

Steil abfallende Felsen am Ufer

Theoretisch kommt jetzt für uns über die Seen Bergvattnet und Sävsjön eine mehrere Kilometer lange unterbrechungsfreie Paddelstrecke. Wie bereits mehrfach während dieser Tour müssen wir direkt nach der Einsatzstelle quer durch Seerosenfelder paddeln – eigentlich macht man das als naturbewusster Paddler nicht, aber hier bliebt einem an mehreren Stellen nichts anderes übrig. Wie während der gesamten Tour halten wir uns auch hier eher am rechten Ufer und bewundern die teils ziemlich steil ins Wasser abfallenden Granitfelsen. An einigen Stellen sind starke Risse vorhanden, so dass man unwillkürlich lieber etwas mehr Abstand einhält – schließlich will man nicht von Felsen erschlagen werden und es ist zumindest für uns Laien absolut nicht erkennbar, ob die Felsen noch 5 Minuten oder tausende von Jahren halten.

Ein typisch schwedisches Sommercafé

Nach einer Engstelle mit einer augenscheinlich für ein Picknick gut geeigneten kleinen Insel geht der Bergvattnet in den Sävsjön über. Wie in unserem schwedischen Kanuführer angegeben, ist hier bald am rechten Ufer ein weißes Schild für das Café Bakstugan zu erkennen. Direkt rechts neben dem Schild legen wir an und wandern ca. 1 Kilometer (ohne Boote!) immer den blauen Pfeilen folgend bis zum Café. Belohnt wird diese Wanderung mit absolut leckerem selbstgebackenen Kuchen. Geöffnet hat das Café während der Hauptsaison Juli und August täglich von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr; außerhalb der Hauptsaison nur am Wochenende. Obwohl es jetzt noch Hauptsaison ist und die Sonne aus allen Knopflöchern scheint, sind wir die einzigen Gäste.

Nach dieser etwas längeren Pause geht es zurück zu den Booten und wieder auf den Sävsjön, der nach einigen hundert Metern ziemlich schmal wird. Aber bevor man sich wieder so richtig einpaddeln kann, kommt die nächste Umtragestelle. Dieses Mal ein gekiester Waldweg von rund 400 m bis zum Sägkvarnsbäcken. Diesem schmalen, eher flussähnlichen See folgen wir jetzt bis zur allerletzten Umtragestelle in den Unden. Auch hier sind wieder 400 Meter zu überwinden, über die u.E. für schwedische Verhältnisse viel befahrene Straße von Tived nach Laxa.

Jetzt fehlen uns nur noch die letzten Kilometer auf dem großen Unden bis zum Campingplatz. Wir haben so gut wie keinen Wind, so dass sich auch diese Strecke problemlos paddeln lässt. Bei Wind dürfte es sich in Anbetracht der riesigen Wasserfläche schon deutlich unangenehmer paddeln. Im Zweifelsfall wird man sich immer sehr dicht am Ufer entlang bewegen oder im schlimmsten Fall auf der mehr oder weniger direkt am Ufer entlang führenden Straße den Rückweg antreten und das Boot nachholen.

Joggend zurück zum Auto

Der kleine Sandstrand und der Steg des Campingplatzes sind schon aus weiter Entfernung zu erkennen und wir suchen uns den Weg ans Ufer vorsichtig zwischen den Schwimmern hindurch. Das Boote saubermachen kann ich heute meiner Frau und Tochter überlassen, da ich noch die 13 Kilometer zum Auto zurück joggen muss. Einzige andere Alternativen wären der Einsatz eines Fahrrades oder bei mehreren Paddlern die Nutzung mehrerer Autos – öffentliche Verkehrsmittel gibt es hier jedenfalls keine.

Festzustellen ist, dass es eindeutig nicht wie im Kanuführer angegeben 5, sondern insgesamt 6 Umtragestellen gibt – vielleicht wollen die Schweden nicht, dass es bei dieser kurzen Tour ansonsten zu abschreckend klingt. Wir sind trotzdem der Überzeugung, dass es sich trotz der Anstrengungen um eine der schönsten Kanutouren in Südschweden handelt.

Sonstige Aktivitäten

Die „echten“ Wanderungen im Tiveden Nationalpark sind ebenfalls mehr als empfehlenswert. Das Informationszentrum des Nationalparks ist nur wenige Kilometer vom Campingplatz entfernt – dort starten diverse extrem gut ausgeschilderte Wanderstrecken. Nach unserem Geschmack eine schöner als die Andere – allerdings sollte man die in den ausliegenden Infoblättern angegebenen benötigten Zeiten tatsächlich ernst nehmen, da die Strecken teils recht anspruchsvoll sind. Vernünftige Wanderschuhe sind daher bei diesen Touren unentbehrlich, während bei den „Wanderungen“ bei der Paddeltour Teva-Sandalen ausreichend sind. Für „berggängige“ Kinder durchaus geeignet.


Nützliche Infos


Geeignete Bootstypen: alle – bei Wind sind auf dem Unden allerdings auf Grund dessen Größe und Windanfälligkeit Kajaks im Vorteil

Besonderheiten: insgesamt 6 Umtragstellen mit einer Länge zwischen 50 Metern und ca. 400 Metern, dadurch ist die Tour trotz der relativen Kürze zeitaufwendig und anstrengend – trotzdem anfängergeeignet

Bootswagen: ein stabiler Bootswagen pro Boot ist zwingend erforderlich, da sich ansonsten schon bei zwei Booten die Laufstrecke verdreifacht!

Einsatzstelle: am See Bosjön, Parkplatz am Ostufer, GPS N 58° 48.083, E 014° 38.702

Aussetzstelle: Campingplatz Tiveden, GPS N 58° 47.936, E 014° 32.005

zurück zum Auto: per Fahrrad oder joggend (13 Kilometer!), keine öffentlichen Verkehrsmittel

Bootsvermietung: direkt am Campingplatz Tiveden (www.campingtiveden.com), dann auch Übernahme von Transportleistungen – „nur“ Canadier

Fotos © Bernhard Nentwich


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Über den Autor

Bernhard Nentwich

Seit 1980 gelernter Berliner und seit Jahrzehnten bekennender Skandinavienfan hat es ihn inzwischen dutzendfach im Urlaub in den Norden verschlagen. Meist mit Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil, manchmal aber auch in ein Ferienhaus.
Nebenbei hat er seit Jahren in allen drei in Deutschland erscheinenden Kanuzeitschriften eine ganze Reihe an Artikeln zu Paddeltouren veröffentlichen können, viele davon zu Gebieten in Skandinavien. Dazu kommen noch zwei Kanu-Reiseführer, die allerdings zu Gebieten in Deutschland.

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