Entdeckungen Schweden

Der Götakanal – Schwedens blaues Band

Einmal quer durch Schweden zieht sich der von 1810 bis 1832 von mehr als 58.000 Soldaten gegrabene Kanal, von Göteborg bis Stockholm. Geplant, um den dänischen Zoll im Öresund zu vermeiden und natürlich aus strategischen Gründen. Wichtig war der Kanal nur für ungefähr ein Vierteljahrhundert, die Aufhebung des Sundzolls und die Einführung der Eisenbahn führten dazu, dass die Bedeutung schnell nachließ. Heute ist der Kanal unverändert in Betrieb, einige der Schleusen werden wie vor fast 200 Jahren weiterhin per Hand bedient und die wirtschaftliche Wirkung ist durch die intensive touristische Nutzung vielleicht wichtiger als jemals zuvor.

Mit der Juno (Baujahr 1874), der Diana (Baujahr 1931) und der Wilhelm Tham (Baujahr 1912) fahren sehr stilvolle und fast immer ausgebuchte Passagierschiffe regelmäßig zwischen Göteborg und Stockholm hin und her; die Juno ist angeblich das älteste noch aktive Passagierschiff der Welt mit Übernachtungsmöglichkeit.

Selbst wenn man sich diese Art des Reisens auf dem Götakanal nicht gönnen will, die Passagen sind sündhaft teuer, einige im wahrsten Sinne des Wortes Höhepunkte des Kanals lohnen allemal eine Visite.

Reger Schiffsverkehr beim Frühstück

An vorderster Stelle der Attraktionen steht sicherlich die Schleusentreppe von Berg in der Nähe von Linköping. Um den Höhenunterschied von 18,8 Metern zu überwinden, wurden hier sieben Schleusen gebaut. Wir besichtigen diese bei strahlendem Sonnenschein und machen wie viele andere auf den breiten Rasenflächen neben der Schleusentreppe ein ausgiebiges Picknick. Der rege Verkehr mit Motor- und Segelbooten auf dem Götakanal lässt es verschmerzen, dass sich keines der alten Passagierschiffe blicken lässt. Insbesondere ein wunderschönes hölzernes Segelschiff lässt die Herzen höher schlagen. Wir nutzen die Gelegenheit, auf dem unmittelbar neben der Schleusentreppe liegenden Wohnmobilstellplatz die nächste Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen brauchen wir damit unseren Tisch und die Stühle nur wenige Meter zu tragen und können beim Frühstück wieder den regen Schiffsverkehr in den Schleusen beobachten.

Der absolute Höhepunkt des Kanals ist mit 91,5 Metern über Normalnull die Schleuse von Forsvik, nur wenige Kilometer nördlich von Karlsborg. Hier gibt es wie an vielen anderen Stellen auch einen unmittelbar neben der Schleuse gelegenen Wohnmobilstellplatz. Hier wurde mit dem Bau des Kanals begonnen, die Schleuse ist mit Baujahr 1813 die älteste des Kanals und aufgrund einer Besonderheit wohl auch die bekannteste. In Forsvik und Umgebung hat eine christlich fundamentalistische Sekte ihren Sitz, die die Durchfahrt fast jedes der Passagierschiffe mit religiösen Liedern begleitet. Wir hatten dies bereits in einer Fernsehreportage in der Reihe MareTV gesehen und uns ein wenig gewundert. Während unseres Aufenthaltes an der Schleuse fuhr tatsächlich die Diana ein und wenige Minuten vorher bauten sich neben der Schleuse eine Reihe dieser Sängerinnen und Sänger auf. Wir hatten den Eindruck, dass die Darbietung nicht bei allen Passagieren und Bediensteten der Diana auf uneingeschränkte Begeisterung stieß. Ungewöhnlich ist das Ganze in jedem Fall.

Unmittelbar neben der Schleuse befindet sich eine Art Museumsdorf, Forsvik Bruk, mit einer Reihe alter Gebäude und Werkstätten. Hier waren über Jahrhunderte verschiedene Industrien ansässig, die die Wasserkraft für ihre Maschinen nutzten. Wir nutzen lediglich das empfehlenswerte Café auf dem Gelände. Wie in vielen Sommercafés in Schweden sind vor allem die Waffeln sehr lecker.

Paddeln kann man auf dem Götakanal auch

Als passionierte Paddler müssen wir natürlich auch auf dem Götakanal paddeln. Als Startpunkt haben wir uns den Campingplatz Strandbadets Camping in Borensberg direkt am See Boren ausgesucht.

Wie sich herausstellte, war dies keine schlechte Wahl. Ein kleiner und mehr als individueller Campingplatz – das Besitzerehepaar hat offensichtlich ein Faible für den ‚Wilden Westen‘, jedenfalls geht die Optik der Anmeldung, Sanitäranlagen etc. ziemlich in diese Richtung und das Ganze dabei sehr gepflegt. Außerdem liegt der Platz direkt angrenzend an eine große Badewiese mit einem langen Schwimmsteg, der sich auch hervorragend zum Boote einsetzen eignet.

Unsere erste Paddeltour sollte dann auf dem eigentlichen Götakanal Richtung Osten gehen. Vorher natürlich das übliche Procedere: zusammensammeln der Ausrüstung und vor allem der Picknickutensilien, Transport der Boote zum Steg, Anlegen der Schwimmwesten und endlich kann es losgehen. Nur 200 m vom Steg entfernt ist gleich die Einfahrt vom See Boren in den Götakanal kaum zu verfehlen. Nach weiteren 600 m das erste Hindernis – die Schleuse Borensberg mit einem ‚gigantischen‘ Hub von 20 cm. Laut Auskunft an der örtlichen Touristeninformation eine der wenigen Schleusen, die noch komplett von Hand betrieben wird. Hier werden wir gemeinsam mit mehreren Segel- und Motorbooten mitgeschleust.

Direkt hinter der Schleuse auf der linken Seite das Göta Hotell – wohl eines der meistfotografierten Motive am gesamten Götakanal. Kurz danach auf der rechten Uferseite eine merkwürdige Konstruktion – ein Gartenhaus auf Stelzen hoch über dem Kanal. Ansonsten viele schöne Häuser und erstaunlich viel Natur.

Alle paar Kilometer wird der Götakanal von altertümlichen Rollbrücken überspannt, die für größere Boote ferngesteuert beiseite gerollt werden, aber nicht für uns Paddler. Mit Kopf einziehen können sie von uns aber passiert werden – für Kanadierfahrer könnte dies etwas unbequemer werden, aber zur Not wartet man einfach auf das nächste Motor- oder Segelboot oder man umträgt und nutzt die Gelegenheit gleich für eine kurze Pause. An fast jeder dieser Rollbrücken kann man auf kleinen Rasenflächen gut picknicken.

Unterwegs sehen wir auf dem den Kanal begleitenden Radweg auf den ehemaligen Treidelpfaden viele Radfahrer mit Gepäck entlang radeln – offensichtlich ist diese Fortbewegungsart hier populärer als paddeln, jedenfalls begegnen uns den ganzen Tag keine anderen Paddler.

Wir paddeln weiter bis zur Rollbrücke Ljungs västra bron und machen hier nach 13 gepaddelten Kilometern Picknick – diese Brücke ist nämlich selbst für Kajakfahrer zu niedrig und wir hätten umtragen müssen. Außerdem ist nur wenige hundert Meter hinter der Brücke am rechten Ufer ein Technikmuseum mit alten Motorbooten, Motorrädern und Autos. Für unsere Kinder allerdings viel wichtiger – mit einem Eisverkauf!

Umtragen an der Schleuse

Danach geht es den gleichen Weg wieder zurück – zum wiederholten Mal stellen wir dabei fest, dass die Paddelstrecken aus der anderen Richtung auch tatsächlich immer anders wirken. Zurück an der Schleuse Borensberg heisst es dann allerdings umtragen, die Arbeitszeiten der Schleusenwärter werden mehr als genau beachtet – jedenfalls ist man um 17.50 Uhr nicht mehr bereit, uns zu schleusen. Dafür gibt uns die Schleusenwärterin den Tipp, auf der linken Seite zu umtragen – wie sich herausstellt, ein völlig falscher Hinweis. Hinter der Schleuse befindet sich nämlich auf der rechten Seite ein kleiner Schwimmsteg, der das Einsetzen erheblich erleichtert hätte – so aber müssen wir ziemlich turnen, um wieder in die Boote zu kommen. Die Saisonkräfte an den Schleusen kennen offensichtlich „ihre“ Anlagen nicht so genau.

Shopping und Kultur in Linköping

Die nächsten Tage werden für Shoppingtouren in Linköping (u.a. der obligatorische IKEA-Besuch) und für Kultur genutzt. Hier ist insbesondere ein Besuch in Gamla Linköping zu empfehlen, gerade auch für Familien mit Kindern. Man hat in der Umgebung alte Häuser abgebaut und hier als Museumsstadt wieder neu aufgebaut und das Ganze dabei durch Werkstätten von Handwerkern (u.a. Schokoladenmanufaktur, Seilerei, Holzarbeiten etc.) belebt. Besondere Attraktion ist aber, dass Gruppen von Schauspielern in Kostümen aus der Zeit von vor hundert Jahren z.B. einen Banküberfall nachspielen und mit zeitgenössischen Instrumenten die Straßen entlangziehen – und das Ganze ohne einen Euro bzw. eine Krone Eintritt zahlen zu müssen.

Weitere Ausflüge führen uns nach Motala, der „Hauptstadt“ des Göta-Kanals mit einem Motormuseum und einem Museum zur Geschichte des Kanals und vor allem nach Vadstena, der Stadt der heiligen Birgitta. Hier sind neben dem historischen Stadtbild und dem Kloster vor allem das toll am Vätternsee gelegene Schloss Vadstena sehenswert.

Für eine weitere Paddeltour haben wir uns für eine Umrundung des Sees Boren entschieden – wieder ab dem tollen Schwimmsteg an der Badestelle direkt am Campingplatz. Motor- und Segelboote waren heute nur aus weiter Entfernung zu sehen, da wir uns immer möglichst dicht am Ufer gehalten haben.

Einige Kilometer später erreichten wir die Schleusentreppe Borenshult – insgesamt fünf Schleusen direkt hintereinander. Und direkt vor der Einfahrt zu den Schleusen auf dem See verankert eine schwimmende Saunahütte – originelle Lage und Abkühlmöglichkeit direkt vor der Tür!

Eigentlich wollten wir an der Schleusentreppe nur Eis kaufen, aber direkt hinter uns war einer der historischen Passagierdampfer eingelaufen. Das Schleusen der Diana über alle fünf Schleusen musste natürlich beobachtet werden – dabei konnten wir feststellen, dass es hier viel weniger Rummel als an der bekannteren Schleusentreppe von Berg gibt. Also sehr angenehm und eigentlich nicht nachvollziehbar.

Besonderer Tipp: Mord und Totschlag auf der Diana

Im Kriminalroman ‚Die Tote im Götakanal‘ von Maj Sjöwall und Per Wahlöö von 1965 wird auf der Diana ein Mord verübt. Dieser schon historische Krimi ist die passende Vorbereitung auf eine Reise an den Götakanal.


­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­Nützliche Infos

Allgemeine Informationen über Schweden:

www.visit-sweden.com

Informationen zum Götakanal und den Passagierfahrten:

www.gotacanal.se

Campingplatzinfos:

www.camping.se

Reiseführer (subjektive Auswahl):

Südschweden von Sabine Gorsemann, Michael-Müller-Verlag, ISBN 978-3966851589

Schweden von Gerhard Austrup und Ulrich Quack, Iwanowski Verlag, ISBN 978-3861972488

Gebrauchsanweisung für Schweden von Antje Rávik Strubel, Piper Taschenbuch, ISBN 978-3492277617


Fotos © Bernhard Nentwich

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Über den Autor

Bernhard Nentwich

Seit 1980 gelernter Berliner und seit Jahrzehnten bekennender Skandinavienfan hat es ihn inzwischen dutzendfach im Urlaub in den Norden verschlagen. Meist mit Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil, manchmal aber auch in ein Ferienhaus.
Nebenbei hat er seit Jahren in allen drei in Deutschland erscheinenden Kanuzeitschriften eine ganze Reihe an Artikeln zu Paddeltouren veröffentlichen können, viele davon zu Gebieten in Skandinavien. Dazu kommen noch zwei Kanu-Reiseführer, die allerdings zu Gebieten in Deutschland.

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