Reise in eine andere Welt
Momentan ist ja Grönland in aller Munde und in den Fokus der großen Weltpolitik geraten. Dabei wissen viele nicht mehr darüber, als dass das Eis der größten Insel der Welt immer schneller abschmilzt und ein US-Präsident sie „unbedingt haben will“. Für Reisende bietet sich aber eine einfache Chance, diesem im doppelten Sinne des Wortes weißen Blatt einen Kurzbesuch abzustatten: Die grönländische Ostküste ist nur knapp zwei Flugstunden von Reykjavík entfernt. Vor einigen Jahren war Reinhard Pantke, ausnahmsweise mal ohne Fahrrad, mehrere Monate in Grönland unterwegs.
Bilder und Text: © Reinhard Pantke
Tasiilaq – am Ende der grönländischen Welt
Auf Kulusuk Island landen im Sommer täglich die Flugzeuge aus Island auf einer Landebahn, die angelegt worden war, als US-Amerikaner hier seit den 50er Jahren eine Basis und Radarstation hatten. Mit kleinen Booten (im Sommer) oder per Helikopter gelangt man in das bunte Städtchen Tasiilaq, das von knapp 2.000 Menschen bewohnt wird.


Weit über 90 % der grade mal knapp 57.000 Grönländer leben entlang der Westküste, die Ortschaft Tasiilaq und einige kleine Dörfer sind die einzigen bewohnten Orte entlang der über 2.000 km grönländischen Ostküste. Noch heute erreicht man diesen abgelegenen Ort über viele Monate nur per Flugzeug und Helikopter, da Packeis die Küsten von November bis April oder Mai blockiert. Straßen gibt es nur im Ort – Wege werden außerhalb von Tasiilaq schnell zu vagen Wanderrouten.

Stadtleben südlich des Polarkreises
Wer im Sommer mitten im Ort durch „das Tal der tausend Blumen“ wandert, wird schnell merken, in was für einer wilden und kargen Landschaft man ist. Anders als im Westen und Süden Grönlands gibt es hier keine höheren Büsche oder gar Bäume und nur wenige kleine Blüten recken sich mutig in die Höhe.


Die bunten, hölzernen Häuser von Tasiilaq werden eingerahmt von schroffen Bergen und dem Fjord, in dem in manchen Jahren noch im Juni größere Eisberge schwimmen, die im letzten Abendlicht glitzern. Farbe ist Trumpf, verständlich in einer lange Zeit schwarzweißen Winterwelt. Das Meer ist voller Leben, schon vor der Haustür schwimmen verschiedene Walarten oder man kann zu einem Angeltrip in die endlos langen Sommertage starten. Von Mitte Mai bis Anfang August wird es hier, knapp südlich des Polarkreises, nicht dunkel.
Fußballfieber und Isolation
Im Sommer holt man vieles nach und lebt draußen: Unter dem begeisterten Jubel der Einheimischen, die rundherum auf den Felsen sitzen, wird auf dem großen Kunstrasenplatz um nichts weniger als die ostgrönländische Fußballmeisterschaft gespielt. Die gegnerischen Teams sind mit offenen Booten samt Fans von den Nachbarinseln gekommen. Spät gewinnt das einheimische Team unter dem Jubel der einheimischen Fans.


Die Isolation in den langen Wintern und die leichte Zugänglichkeit von Waffen haben dazu geführt, dass dieser kleine Ort die höchste Selbstmordquote weltweit, besonders unter männlichen Jugendlichen, hat. Schusswaffen hat fast eigentlich jeder Haushalt, da man diese zur Verteidigung gegen Eisbären außerhalb der kleinen Stadt oder für die Jagd braucht. Ein Freitod führt oft zu Kettenreaktionen und wirkliche Hilfe ist meist weit weg: Die grönländische Hauptstadt Nuuk ist mehrere Flugstunden entfernt.
Im großen Supermarkt wird jetzt im Sommer alles angeboten, was es in der Hauptstadt auch gibt. Viele Grönländer können sich dies kaum leisten und bereichern den Speiseplan durch Fischfang und Jagd.
Den Klimawandel sehen die Einwohner daher teils auch als Chance: Die Zeiten, in denen Packeis die Schifffahrt und somit auch Lebensmittellieferungen blockieren, werden kürzer und in den letzten Jahren landen vermehrt Thunfische und Makrelen in den Fischernetzen.
Theoretisch kann man von Reykjavik aus einen Tagesausflug nach Kulusuk machen. Es empfiehlt sich aber durchaus, lieber 3 bis 4 Nächte zu bleiben und von Tasiilaq aus Tagestouren per Boot oder zu Fuß zu machen, um die einsamen, wilden Berg- und Fjordlandschaften ausgiebiger zu erkunden. So bekommt man einen kleinen Eindruck von dieser arktischen Wildnis. Doch dazu mehr im zweiten Teil.
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