Das Reeperbahn Festival gehört mit zu den wichtigsten europäischen Branchentreffs der Musikindustrie. Die Besucher des Festivals erwarten Konferenz-Programmpunkte und noch mehr Konzerte und Showcases. Es gibt also vieles zu entdecken und noch viel mehr zu verpassen. Daher möchten wir heute nicht über das komplette Programm sprechen, sondern euch das Showcase der Westschweden vorstellen. Bereits zum dritten Mal in Folge und wie immer am Donnerstag in der Pooca Bar heißt Westside Music Sweden Branchenvertreter und Musikliebhaber herzlich willkommen.
Never change a winning system!
Westside Music Sweden ist eine noch junge Plattform und Interessenvertretung von Indie-Agenturen und Bands aus Göteborg und Umgebung. Sie verschafft ihnen Sichtbarkeit auf internationalen Konferenzen wie auch regulären Festivals. Daneben organisiert Westside Music Sweden das internationale Club-Festival Viva Sounds, welches vom 6.-7. Dezember in Göteborg stattfindet und auch einen Konferenzprogramm beinhaltet. Vertreter von 28 westschwedischen Musikfirmen sind vor Ort, sie bilden gemeinsam das Netzwerk von Westside Music Sweden. Nach einem lockeren get-together spielen vier aufstrebende Bands der Region ihr Livese:
Songs of Boda
Songs Of Boda, das sind Lieder von schwedischer Vorstadt-Tristesse, von Trauer und Träumen, aber auch von kritischer Selbstreflexion. Was im geschriebenen Wort manchmal nach zu viel Pathos klingen muss, ist in der Musik als erlösendes Moment tatsächlich vorhanden. Das zeigte Daniel Skoglund schon auf dem Minialbum „Loophole“ von 2017, dessen wunderbar schwelgerischen Stil er ein Jahr später auf „Iago“ mit bemerkenswerter Selbstsicherheit in neue Höhen trieb.
Zusammengesetzt aus Folk, Blues, Country und Rock vermitteln die Kompositionen Skoglunds die Wärme und Weite schwedischer Nadelwälder in der Abendsonne. Eine große Sehnsucht ist in dieser Musik spürbar, aber auch die Hoffnung auf ein Wiedersehen, ganz besonders präsent auf dem jüngsten Album „Meanwhiling“. Hier verzichtet Skoglund, der in Göteborgs Indie-Szene seit Jahren ein bekanntes Gesicht ist, gänzlich auf den Einsatz seiner Stimme und lässt stattdessen die Saiten erzählen – vom kalten Herbst, aber auch vom heißen Sommer, vom Tod, aber auch ganz besonders vom Leben.
Bror Gunnar Jansson
Der Schwede Bror Gunnar Jansson ist Gitarrist, Sänger, Saxofonist, Drummer und Songwriter in Personalunion, obendrauf aber auch noch einer der begabtesten Bluesreformer, die dieses Genre seit Jahrzehnten gesehen hat. Sitzt der Mann mit dem exzellenten Hut-Geschmack auf seinem Hocker, fällt es schwer den eigenen Augen zu trauen und nicht sofort nach den anderen Bandmitgliedern zu suchen. Doch Fehlanzeige: Das Ein-Mann-Projekt zieht seine Auftritte tatsächlich weitgehend ohne jede Hilfe durch, bedient sämtliche Instrumente gleichzeitig und wirkt dabei so souverän wie der junge Bob Dylan oder John Lee Hooker.
Gleichzeitig kann Janssons Musik genau wie seine Texte auch deutlich düsterer klingen, als das Meiste, was einem in Blues, Country und Folk so über den Weg läuft. Vom Debüt bis zu den beiden Teilen des Alben-Duos „And The Great Unknown“ hat sich der Poet mit Passion in jedem Schrei noch nicht einen einzigen Aussetzer geleistet, wofür er von Presse und Künstler*innen gleichermaßen verehrt wird. Ein Phänomen, das in dieser ausdrucksstarken Form vielleicht einmal pro Dekade auftritt. Und was, wenn der beeindruckendste amerikanische Bluesmusiker eigentlich aus Göteborg kommt?
The Exorcists GBG
Das schwedische Göteborg scheint musikalisch ja schon seit längerem ein kreativer Schmelztiegel zu sein, der auch international von sich reden macht. Jazz und Metal, Blues und Rock, aber auch Pop und Elektronisches sind hier stark vertreten und befruchten sich naturgemäß auch untereinander. Das Funktronica-Trio The Exorcist GBG ist ein Sprössling dieser frei flottierenden Genreeinflüsse, denen die Künstler in der Hafenstadt unweigerlich ausgesetzt sind.
Vermittelt über ordentlich Groove kreuzen Mitglieder von Uran und First Band From Outer Space hier Horror Synths mit Dance-Moves, Funk-Bässe mit Acid-Samples, fuzzige Gitarren mit polternden Drums, was eine augenblicklich tanzbare Mischung ergibt. Bei diversen Festivals beeindruckten The Exorcist GBG dank dieses Sounds schon ein Publikum, das oftmals gar nicht so genau wusste, was zu erwarten ist. Macht nichts, gerade der Überraschungseffekt dieser hochgradig energiegeladenen und abgespacten Truppe lässt ihre Konzerte zu denkwürdigen Erlebnissen werden.
Pink Milk
Post-Punk lebt – und zwar mehr denn je. Pink Milk stehen beispielhaft dafür, wie der entgrenzende Sound von The Cure und den Cocteau Twins mit den finstersten Reverbs von modernem Shoegaze zu verschmelzen ist, um absolut zeitlose Resultate aus der Taufe zu heben.
Schon auf ihrem Erstling „Purple“ gelang das dem Duo aus Schweden mit Bravour. Jaulende Gitarren, die in der Unendlichkeit verschwinden, Bassdrums, deren sanftes Anschlagen gigantische Flächen ausbreitet und ein Deadpan-Gesang von engelsgleicher Anmut hüllen den Hörer innerhalb von Sekunden in Gänsehautschauer und beschwören ein Kopfkino jenseits dieser Welt. Ohja, der Klang von Hymnen wie „Muscles“ oder „La Cop“ will ganz weit weg, sich ausdehnen und mit einem Lachen in den Sonnenuntergang rauschen, bevor dieses Leben vorbei ist. Um hinter den Horizont zu blicken, muss Mensch aber nicht unbedingt abtreten – ein Abend mit Pink Milk in der Pooca Bar reicht schon.
Freut euch auf einen wilden Abend mit Westside Music Sweden auf dem Reeperbahn Festival am 19.09.2019 mit den vorgestellten Künstlern:
20:30 Uhr / Songs Of Boda
21:30 Uhr / Bror Gunnar Jansson
22:30 Uhr / Pink Milk
23:30 Uhr / The Exorcist GBG
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