Dänemark Fahrrad

Per Fahrrad unterwegs auf der „Herrenhausroute“

Anfang Juni 2022 wurde in Süddänemark eine 660 Kilometer lange Fahrradroute eröffnet, die rund um Fünen, durch Langeland und über die kleine Insel Ærø führt. Eingebettet in fruchtbare Landschaften liegen über 120 Herrenhäuser aus unterschiedlichen Jahrhunderten an der Route, deren Charakter zwischen prunkvollen Schlössern, stattlichen Häusern und ausgedehnten Wirtschaftsgütern variiert. Im Mai hatte Reinhard Pantke die Chance, die Strecke noch vor der offiziellen Eröffnung im Juni unter die Räder zu nehmen. Er gibt einen kleinen Vorgeschmack auf die Route. Hier kann auch sein Kalender für 2023, passend zur Route bestellt werden.

Ærø

Schon vor Jahren fiel mir auf einem Rückflug von Oslo ein kleines Eiland auf, dass, umgeben von glasklarem smaragdgrünen Wasser, anmutete wie eine Südseeinsel. Die idyllische, in Sichtweite der deutschen Küste liegende Insel ist kaum 30 Kilometer lang und lockt mit perfekt ausgeschilderten Radwegen. Diese führen durch eine wellige Endmoränenlandschaft, vorbei an urigen Kleinstädten, schönen Stränden und weiten Ausblicken über die Ostsee.

Auch der malerische und unter Denkmalschutz stehende Hauptort Ærøskøbing bezaubert mit schmalen Straßen, die von urigen, mit Rosen bewachsenen Häuschen eingerahmt werden. Am Stadtstrand locken die farbenfrohen, putzigen Strandhäuschen der Einheimischen.

Langeland

Wer die lang gezogene Insel nur auf kürzestem Weg von Westen nach Osten durchquert, verpasst ein Fahrradfahrerparadies mit stillen, schmalen Straßen und Wegen. Nirgendwo ist es weit zum nächsten einsamen Sandstrand, immer locken herrliche Wälder, steinzeitliche Gräber und sogar Wildpferde.

Im Norden liegt das markante, rote „Tranekær Slot“, das seit Jahrhunderten von einer Familie bewohnt wird – mit Schlosspark, einer wunderschönen, fast 180 Jahre alten Mühle und einem medizinischen Garten, der die größte Sammlung von Heilpflanzen in Nordeuropa präsentiert. An nördlichen Ende der Radstrecke erreiche ich das verschlafene Hafenstädtchen Lohals – die Herrenhausroute verläuft auf der Ost- und Westseite, so dass man keine Strecken doppelt radelt.

Fast am südlichsten Ende erreiche ich den über 250 Jahre alten Broløkke Herregård, einst ein „Wiedergutmachungsgeschenk“ eines Grafen, weil dieser fremdgegangen war. Neben dem wunderschönen Haupthaus mit historischen Möbeln werden gerade noch Apartments und sogar eine Destillerie in den ehemaligen Stallungen und Wirtschaftsgütern errichtet. Abends komme ich in den Genuss eines köstlichen 5-Gänge-Menüs, dass aus regionalen Zutaten, wie etwa gedünstetem Lachs auf Seetang oder dänischen Spargel besteht, und gekrönt wird mit fünf verschiedenen Weinen. Mein schwacher Einwand, dass ich nach 80 Kilometern Radfahren vielleicht nicht so viel Wein vertrage, wird mit stetem Nachfühlen geflissentlich – und lachend – ignoriert. Am Ende fühle ich mich ein wenig wie der gutgelaunte Hauptdarsteller eines weltberühmten Geburtstagssketches.

Fünens Süden

Kurz bevor man über der letzte Brücke nach Fünen kommt, lockt noch auf der Insel Tåsinge ein Abstecher in das Dorf Troense, das durch seine Lage am Wasser und zahlreiche denkmalgeschützte, reetgedeckte Fachwerkhäuser verzaubert. Auch das nahegelegene „Valdemars Slot“ ist einen Besuch wert.

Flach ist dieser Teil Dänemarks sicher nicht, besonders im Süden sorgen in den von den Eiszeiten gerundeten Landschaften viele kurze Anstiege für Abwechslung und lassen einige Höhenmeter zusammen kommen. Der Charakter der Herrenhäuser und Güter ist dabei recht unterschiedlich. Einige kann man nur aus der Entfernung betrachten, andere haben ihre herrlichen Schlossparks geöffnet oder offerieren Übernachtungsmöglichkeiten, Cafés oder Hofläden mit eigenen Produkten. Der Mai ist für mich die schönste Zeit, gelbe Meere aus Raps überziehen die Inseln, die Blütenpracht in den Gärten nimmt kein Ende und es ist kaum jemand unterwegs.

Der idyllische Norden

Im Westen führt die Route hinunter zum Meer und durch Mischwälder, am kleinen Belt entlang in die historische Stadt Middelfart. Wer Abwechslung sucht, kann hier Kajaks mieten, Walsafaris machen oder seine Schwindelfreiheit beim geführten Bridgewalking austesten. Geschmäcker sind verschieden: Aber der Abschnitt zwischen Middelfart und Bogense/Odense ist vielleicht die beste Möglichkeit für eine Sommertour auch mit Kindern. Die Route führt oft auf autofreien Wegen hinunter zu weiten Ostseestränden, an denen man sich an heißen Sommertagen herrlich erfrischen kann.

Immer wieder laden schön gelegene Raststationen nur für Radfahrer zur Pause ein und es gibt Reparaturstationen mit dem nötigsten Werkzeug: Radlerherz, was willst Du mehr! Auch das gemütliche Hafenstädtchen Bogense mit seinem urigen Hafen, den Fischerbooten und der kleinen Manneken Pis-Kopie lädt zu mehr als einer kurzen Pause ein. Am nächsten Tag radele ich teils auch am Odense-Fjord entlang in die größte Stadt Fünens, nach Odense. Die Heimatstadt des Dichters Hans Christian Andersen würdigt diesen mit einem neu eröffneten Museum, das die Märchen erfahrbar werden lässt und sich auf über 5.500 Quadratmetern ausbreitet. Ich bin begeistert von dem gut strukturierten Radwegenetz der Stadt, das viele Bewohner der Stadt ganz selbstverständlich aufs Rad umstiegen lässt.

Der Osten: Das Beste kommt zum Schluss – Schloss Broholm

Nur 20 Kilometer entfernt liegt die gemütliche Kleinstadt Kerteminde, deren maritimes Forschungs- und Erlebniscenter auf jeden Fall einen Besuch wert ist. Je näher man Nyborg kommt, desto besser kommen die riesigen Brücken in Sicht, die über den großen Belt führen. Östlich von Svendborg liegt das über 700 Jahre alte, märchenhafte Schloss „Broholm“, dass von einem Wallgraben und See umgeben ist. Der Park lädt zu abendlichen Spaziergängen, und auch das Innere gibt einen authentischen Einblick in vergangene Jahrhunderte. Wer als krönenden Abschluss seiner Reise in einem der romantischen Zimmer nächtigt, bekommt vielleicht auch die weiße Frau zu sehen, die im alten Teil spukend nach dem Rechten schauen soll.

Meine Reise endet am nächsten Tag, es geht nach Svendborg und per Zug nach Deutschland. Große Vielfalt auf kleiner Fläche, so lautet wohl das Motto dieser drei Inseln. Es gibt noch viel mehr zu entdecken, ich hoffe, ich habe Sie neugierig gemacht, schwingen Sie sich aufs Rad!

Mit Frau Swantje Niphut von Destination Fyn konnte ich über die neu eröffnete „Herrenhausroute“ reden.

Pantke: Guten Tag Frau Niphut, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen. Die „Herrenhausroute“ wurde gerade erst im Juni eröffnet, warum sollte man diese Route unbedingt entdecken? Welche Reisezeit würden Sie für Radtouren besonders empfehlen und warum?
Swantje Niphut: Die Herrenhausroute ist eine Hommage an die Geschichte der Insel Fyn und seines Inselmeers und der beste Beweis dafür, dass die Schönheit der der Region schon immer anziehend war. Da sie nicht nur landschaftlich, sondern auch kulturhistorisch spannend und abwechslungsreich ist, lässt sie sich zu jeder Jahreszeit radeln – je nachdem, welche Wassertemperatur man für eine Abkühlung nach einer Etappe bevorzugt.
Pantke: Fahrradfahrer sind, da sie fast keine Lebensmittel auf Reisen mitnehmen, immer dankbare Kunden in Supermärkten, aber auch in Cafés und Restaurants. Welche drei landestypischen Spezialitäten sollte man entlang der Route unbedingt mal probiert haben?
Swantje Niphut: Den berühmten „Rygeost“, einen geräucherten Frischkäse, den man auf vielfältige Weise genießen kann. Der süße Gaumen bevorzugt wahrscheinlich den „Brunsviger“, einen saftigen Kuchen aus Hefeteig mit herzhaft-süßem Sirup. Die Region wird aufgrund ihrer fruchtbaren Erde auch als Garten Dänemarks bezeichnet. Daher gibt es eine unglaubliche Vielfalt von lokalen Produzenten und Köstlichkeiten zu entdecken. Sogar Wein wird aufgrund des milden Klimas angebaut.
Pantke: Sie kennen Deutschland gut und leben in Dänemark. Ich habe bei meinen Reisen immer den Eindruck, dass alles in Dänemark etwas entspannter ist, fallen Ihnen spontan drei große Unterschiede zum Alltag auch auf den Straßen und im öffentlichen Leben ein?
Swantje Niphut: Am meisten beeindruckt mich persönlich, dass eigentlich fast jeder sich in irgendeiner Form freiwillig in einem Verein oder für eine Sache engagiert.

Herrlicher Unterschied: Das öffentliche Leben ist fast vollkommen digitalisiert. Ein Beispiel: Schon mal ein Auto in Deutschland zugelassen? Hier in DK erledigt man das selbst per Mausklick online und in nur 5 Minuten.

Das Fahrrad ist so etwas wie das natürliche Fortbewegungsmittel der Dänen und die Infrastruktur in den Städten ideal darauf ausgelegt. Odense hier auf Fyn gilt als die fahrradfreundlichste Stadt Dänemarks und setzte als erste nordeuropäische Stadt entlang ihres Super Cycle Highways Sensoren an Ampeln ein, die Radfahrern bei Regen längere Grünphasen sichern. Im Autoland Deutschland kaum vorstellbar.


Beste Infoquelle: www.visitfyn.de/fyn/outdoor-bike/die-herrenhausroute-auf-fyn

Reisezeit/Unterkünfte: In der Hauptreisezeit von Mitte Juni – Mitte August Unterkünfte vorab buchen oder ein Zelt als alternative Bleibe haben.

Übernachtungshighlights: Königliche Gaumenfreuden in historisches Ambiente findet man auf dem „Brolokke Herrengard“ im Süden der Insel Langeland: brolokkeherregard.dk/

Ein visuelles i-Tüpfelchen ist eine Übernachtung auf Schloß Broholm: broholm.dk/DE.aspx

Wenn es kein Schloss sein muss: Der Munkebo Kro bei Kerteminde, www.munkebokro.dk, und das fantastische am Meer gelegene Troense Bed and Breakfast by the Sea, www.troensebnb.dk

Für den schmaleren Geldbeutel gibt es gut ausgestattete Campingplätze mit Hütten und Glampingzelten und einfache „Shelterplätze“, die Radfahrer kostenlos/gegen geringes Entgelt nutzen können.

Anreise: Per Zug und Fähre anzureisen und/oder Teile der Strecke mit anderen Langstreckenradrouten zu kombinieren. Ab Flensburg per Rad 45 km, nach Fynshav, der Fährstation nach Ærø und Bøjden (Fyn). Odense, Middelfart und Nyborg, sind Haltestellen der Intercity, die zwischen Hamburg und Kopenhagen fahren. Die Fahrradmitnahme in dänischen ICs muss reserviert werden, siehe www.dsb.dk.


Text und Bilder: Reinhard Pantke

Über den Autor

Reinhard Pantke

Der Globetrotter Reinhard Pantke (Jahrgang 67) erlebt seine Reiseziele grundsätzlich nur mit Fahrrad und Rucksack. Im Verlauf dieser Touren legte er in den letzten gut 35 Jahren insgesamt 200.000 km per Fahrrad und ohne Motor zurück. Seine besondere Liebe gehört dem Norden, seine allererste Radtour führte ihn 1983 als 17-jährigen nach Norwegen. Neben Artikeln in regionalen und überregionalen Zeitungen und Magazinen, Kalendern, Buchbeiträgen und Ausstellungen ist Reinhard Pantke auch Autor verschiedener Bildbände über Norwegen und Kanada. In normalen Jahren zeigt er im Winterhalbjahr seine Multivisionsshows einem breiten Publiikum. Für Nordis hat er er etliche Berichte über seine Lieblingsregionen verfasst.

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