Fahrrad Schweden

Radtour auf Gotland

Mit dem Mietrad zu den schönsten Klippen


Wohin des Weges, wenn man für eine Radtour auf Gotland nur einen Tag Zeit hat? Ich liebäugele schon eine Weile mit einer längeren Radreise auf der schwedischen Ostseeinsel, doch dieses Jahr passt solch ein Trip einfach nicht in meine Planung. Um trotzdem ein bisschen Insel-Luft auf zwei Rädern zu tanken, mache ich einen Kurztrip nach Visby. Momentan verbringe ich wieder einen Teil des Sommers in Stockholm, so dass ich die Gotland-Fähre in Nynäshamn leicht mit der Stockholmer S-Bahn Pendeltåg erreiche.

Zu meinem Glück gibt es auch im Hafen von Visby einen Fahrradverleih, wo ich für 160 schwedische Kronen ein bequemes Rad mit sieben Gängen miete. Das perfekte Fortbewegungsmittel, um die eine oder andere Steigung zu meistern, doch wie weit komme ich damit? Und was sollte man bei einer eintägigen Radtour auf Gotland alles gesehen haben? Diese Frage stelle ich dem Mitarbeiter des Fahrradverleihs und bekomme neben einer Karte zur Orientierung ein paar Tourentipps.

Gotland Radtour an der Westküste südwärts

Wegweiser Gotlandsleden

Er empfiehlt mir, an der Westküste nach Süden zu radeln, weil es dort atemberaubende Klippen mit tollen Aussichtspunkten gebe. Was das Wetter betrifft, habe ich ein bisschen Pech und kann das Panorama an den Klippen aus Kalkstein nicht ganz so auskosten wie wahrscheinlich am Vortag. Der strahlend blaue Himmel ist von dicken grauen Wolkenschwaden verhangen und immer wieder gerate ich in Regenschauer. Trotzdem strampele ich auf dem rot markierten Fernradweg Gotlandleden südwärts und mache einen Abstecher ins Södra Hällarna Naturreservat, nachdem ich den Fährhafen von Visby zu meiner Rechten liegen gelassen habe.

Ich bin so froh, die Hauptverkehrsstraße mit dem lästigen Autoverkehr verlassen zu können und steuere über sandige Wege die Steilküste an. Nach wenigen Kilometern finde ich mich an einem Grillplatz mit einem fantastischen Meerblick wieder. Ja, die Schweden lieben es, vor allem sonntags in die Natur zu gehen und Barbecues mit der Familie zu veranstalten. Direkt an der Klippe ist bei wolkenlosem Himmel eine tolle Weitsicht inklusive. Mich umgibt nun eine besonders mystische Atmosphäre – für einen Wikingerfilm wäre das abgedunkelte Tageslicht sicher ideal.

Stippvisite bei der Villa Kunterbunt

Im Naturreservat entdecke ich einen Wegweiser nach Kneippbyn. Da möchte ich unbedingt hin, denn als bekennender Pippi-Langstrumpf-Fan will ich während meiner Radtour auf Gotland natürlich auch die Villa Kunterbunt sehen. Zahlreiche Außenaufnahmen sind 1969 und ’70 in Visby und Umgebung entstanden und Pippis farbenfrohes Haus steht bis heute.

Als ich in Kneippbyn ankomme, macht sich allerdings Enttäuschung in mir breit. Nichts sieht mehr so aus wie vor über 50 Jahren! Die Villa Kunterbunt ist nun in den Freizeitpark Sommarland integriert – eingekesselt von allerhand Fahrgeschäften und Buden. Obwohl der Park gerade geschlossen ist, schaffe ich es, bis zum Haus vorzudringen und mich über die Kommerzialisierung der Filmkulisse zu ärgern. Pippis idyllischer Garten ist verschwunden, kein Platz mehr für ihr kreatives Chaos. Ich bin aber auch die falsche Zielgruppe für Sommarland, das eindeutig zahlungsfreudige Familien mit Kindern ansprechen soll. Also fahre ich weiter nach Högklint – zu Deutsch: hohe Klippe.

Spektakuläre Kliffspitze Högklint

Högklint ist ein Kunstwerk der Natur und gilt als eindrucksvollste Kliffspitze auf Gotland. Betrachtet man den hellen Kalkstein genauer, bemerkt man, dass er aus unterschiedlichen Schichten besteht. In diesem Naturreservat lohnt es sich, das Fahrrad eine Weile abzuschließen und auf den Klippen einen kleinen Spaziergang zu machen. Die 46 Meter hohe Spitze ragt fast senkrecht in die Ostsee. Egal ob man oben am Abgrund steht oder die steile Treppe zum Strand hinabsteigt, vor der Gewalt dieser Steinformationen habe ich höchsten Respekt. Wie winzig ist doch der Mensch im Vergleich zur Klippe!

Kliffspitze auf Gotland

Gotland Radtour zu Toftas traumhaftem Sandstrand

Ich beschließe, meine Radtour auf Gotland auf dem Gotlandleden bis Tofta Strand fortzusetzen. Zum größten Teil verläuft der Radweg parallel zur Hauptverkehrsstraße. Zu meinem Glück sind aber nicht allzu viele Autos und Wohnmobile unterwegs. Und bevor ich den Sandstrand erreiche, mache ich noch einen Abstecher nach Gnisvård. Früher handelte es sich um die größte Fischersiedlung der Insel, die bis heute ihren geschichtsträchtigen Charme behalten hat. Ungefähr 40 malerische Stein- und Holzhütten umrahmen den Hafen, in dem ich gemütlich picknicke. Praktischerweise bieten schwedische Supermärkte oft Salatbuffets an – ein sättigendes Proviant für Radreisen, das schon oft in Schweden meinen Hunger gestillt hat.

Gestärkt fahre ich zurück zum Gotlandleden und lege neben der Straße die restlichen Kilometer bis Tofta Strand zurück. Dieser breite Strand mit angrenzendem Campingplatz und einigen Restaurants in der Umgebung ist ein Traum aus feinem Pudersand. Das ist genau die Art von Sand, in dem ich meine Füße vergraben möchte. Also ziehe ich meine Schuhe aus und genieße  den Augenblick, obwohl ich dabei den einen oder anderen Regentropfen abbekomme.

Durchs Inselinnere zurück nach Visby

Da der Fahrradverleih in Visby samstags schon um 16 Uhr schließt, habe ich während meiner Gotland Radtour immer die Uhr im Blick. Schaffe ich es bis Klinteholm oder sogar zur Ostseite der Insel? Weil ich weder hetze noch auf Stopps an schönen Plätzen verzichte, bleibt es bei einer Rückfahrt durch das grüne Inselinnere.

Hafen von Visby

Über Orte wie Eskelhem, Hogräns und Roma radele ich zurück nach Visby. Bis Roma folge ich sogar weiter dem Gotlandleden, doch allmählich beginnt die Uhr lauter zu ticken. Nach einem beschaulichen Streckenabschnitt durch eine ländliche Idylle lege ich die restlichen 17 Kilometer neben einer vielbefahrenen Autostraße zurück, teilweise steil bergauf. Das Beste kommt bei dieser Radtour auf Gotland also nicht zum Schluss. Das Gute daran ist allerdings, dass ich das jetzt fürs nächste Mal weiß.


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Über den Autor

Annika Senger

Annika Senger betreibt seit 2017 den Reiseblog Reise-Liebe, auf dem sie regelmäßig über ihre Erlebnisse im hohen Norden berichtet. Seit sie Ende 2020 ihre Zelte in Deutschland abgebrochen hat, hält sich die digitale Nomadin gerne länger in Skandinavien auf und liebt es, in der nordischen Natur abzutauchen. Neben dem Bloggen ist sie passionierte Videofilmerin.

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