Finnland Outdoor

Weiße Nächte und Wanderungen im Pyhä-Luosto Nationalpark

Anreise nach Pyhätunturi

Es ist bereits hell, als unser Zug um zwanzig nach fünf den Bahnhof Tikkurila verlässt. Ganz schön früh, um schon auf den Beinen zu sein, aber schließlich liegt heute noch eine weite Strecke von Vantaa bis zum Pyhä-Luosto Nationalpark vor uns. Zeitnah werden wir darüber informiert, dass die Züge auf dem Abschnitt zwischen Oulu und Kemi nicht verkehren und durch Reisebusse ersetzt werden. Umsteige- und Wartezeiten führen dazu, dass wir eine Stunde und vierzig Minuten Verspätung ansammeln.

Endlich in Rovaniemi angekommen bleibt uns gerade genug Zeit, um eine Kleinigkeit zu essen, bevor uns der Kleinbus Richtung Pyhätunturi am Bahnhof einsammelt. Vorerst bleiben wir die einzigen Fahrgäste. Unser Fahrer ist in Plauderlaune und berichtet aus seinem Arbeitsalltag. Er erzählt unter anderem, dass er am Flughafen warten müsse, um zu sehen, ob jemand zusteigen möchte, selbst, wenn keine Vorabreservierungen vorliegen würden. Letzten Winter hätten sogar 70 Personen am Flughafen gestanden und mitfahren wollen bei nur 20 online verkauften Tickets. Spontan weitere Fahrer zu organisieren sei vor allem im Norden nicht immer einfach. Wir nehmen uns vor, auf kommenden Reisen auf jeden Fall vorher unsere Tickets zu erwerben, um allen die Planung etwas zu erleichtern.

Gegen 21 Uhr erreichen wir schließlich unsere Unterkunft. Wir entspannen in der Sauna und stärken uns beim Abendbrot, doch lange hält es uns nicht drinnen. Zu verlockend ist es, sich nach der langen Fahrt noch die Beine zu vertreten, und schließlich wird es ja auch nicht dunkel. Auf unserem kurzen Spaziergang bewundern wir ein Panorama, das wie gemalt aussieht: Vor unseren Augen erstreckt sich eine weite Fjelllandschaft. Zwischen den sanften Hügeln haben sich in den tieferen Lagen Nebelschwaden angesammelt. Es ist nach Mitternacht, aber die Mitte Juli nur für wenige Minuten untergehende Sonne färbt den Himmel und seine Spiegelung auf der Oberfläche des Pyhäjärvi orange. Leider können wir die Aussicht nicht ungestört genießen, denn sobald wir stehen bleiben, umschwirren uns unzählige Mücken. Naiv und schlecht vorbereitet wie wir an unserem ersten Abend in Lappland sind, bieten wir ihnen ein reich gedecktes Büffet, sodass ich am nächsten Morgen 17 Stiche auf meiner Stirn zähle. Gegen 1 Uhr schlendern wir noch durch den menschenleeren Ortskern; bald müsste es wieder heller werden, der „dunkelste“ Zeitpunkt ist erreicht und es wird klar, warum man von weißen Nächten spricht. Schließlich übermannt uns doch die Müdigkeit und wir sinken erschöpft ins Bett.

Eroberung des Noitatunturi

Wir schlafen lange und lassen es zunächst ruhig angehen, bevor wir uns am Abend zu einer Wanderung im Nationalpark aufmachen. Auf unserem Weg zum Naturzentrum Naava, dem Ausgangspunkt der verschiedenen Wanderrouten, kommt uns eine Gruppe Rentiere entgegen. Wo die wohl hinwollen? Wir folgen zunächst ein Stück weit der Straße, bis es schließlich in den Wald geht. Noch verlaufen die markierten Wanderwege Karhunjuomalammen reitti, Noitatunturin valloitus und Pyhä-Luoston retkeilyreitti identisch. Da die Treppe zwischen Isokurun kota und dem Südzugang der Schlucht Isokuru gerade erneuert wird, müssen wir eine kleine Umleitung laufen. Über diese gelangen wir in die größte Schlucht Finnlands, die aufgrund von Lawinengefahr nur in den Sommermonaten zugänglich ist. In diesem Gebiet ist es zudem verboten, vom markierten Weg abzuweichen. Bei unserer Durchquerung der Schlucht kommen wir am Pyhänkasteenputous Wasserfall vorbei, bevor wir sie am anderen Ende über die erst im Sommer 2020 erneuerten Treppen – sehr lange und steile Treppen übrigens – verlassen. Bis hierhin ist der Weg breit angelegt, in einem guten Zustand und bequem zu laufen gewesen.

Nachts auf dem Noitatunturi

Hinter Uhriharju trennen sich die Wanderwege und wir müssen eine Entscheidung treffen. Es ist bereits 21 Uhr, aber da es trocken und klar ist, beschließen wir, den längeren Weg über den Gipfel des 540 m hohen Noitatunturi zu wagen. Die Einstufung als „anspruchsvoll“ wird dieser Strecke gerecht, denn es geht einen großen Teil über Geröll und wir sind froh über unsere hohen festen Wanderschuhe. Unterwegs haben wir eine wunderbare Aussicht auf die Umliegende Fjell- und Sumpflandschaft. Zwischendurch kommen uns immer mal wieder andere Wanderer entgegen – wir sind also nicht die einzigen, die heute Nacht unterwegs sind. Nach etwa einer Stunde des Aufstiegs haben wir den Gipfel erreicht. Um uns herum herrscht absolute Stille, sofern man in der Lage ist, das allgegenwärtige hochfrequente Sirren der Mücken zu ignorieren, die uns auch heute zu verfolgen scheinen. So verweilen wir nicht lange im Stehen, sondern machen uns an den anstrengenden Abstieg. Der felsige Untergrund erfordert einiges an Konzentration, und so brauchen wir eine weitere Stunde, um die 1,3 km bis zur Feuerstelle am Oravalampi zurückzulegen. Der Rest des Weges führt uns wieder durch den Wald. Als wir schließlich gegen 1 Uhr nachts zurück in unserer Unterkunft sind und unsere müden Glieder in der Sauna entspannen, haben wir insgesamt über 17 km zurückgelegt.

Tunturiaavan luontopolku und Kultakero

Dass wir eine gute Entscheidung getroffen haben damit, trotz später Stunde noch zu dieser langen Wanderung aufzubrechen, zeigt sich am nächsten Morgen. Gewitter ziehen über das ganze Land und wir nutzen das schlechte Wetter, um uns das Besucherzentrum Naava genauer anzusehen. Ausgestattet mit einem Café, einem Shop und einer Ausstellung lässt sich hier gut einige Zeit verbringen.

Am folgenden Tag widmen wir uns dem Tunturiaavan luontopolku. Dieser 7 km lange Rundweg führt uns über Stege durch den Sumpf, vorbei an einem Vogelbeobachtungsturm, von dem aus man eine gute Sicht auf die Fjellkette hat. Nach den Regenschauern der letzten Tage wirkt das Grün der Pflanzen besonders gesättigt. Zwischendurch sorgen jedoch Moltebeeren für orange leuchtende Farbtupfer. Einige von ihnen sind bereits reif, und so können wir von den begehrten Früchten naschen.

In der Isokuru Schlucht

Als wir das nächste Mal durch den Wald spazieren, erwartet uns eine Überraschung: Die nagelneue Treppe zur Isokuru Schlucht, die uns vor drei Tagen noch versperrt gewesen ist, ist inzwischen freigegeben. Somit bekommen wir also auch noch die Wegführung ohne Umleitung zu sehen.

Unser letzter Tag in Lappland bricht an. Wir wollen ihn nutzen, um auf den Gipfel des Kultakero zu steigen. Dieser befindet sich direkt hinter unserer Unterkunft und ist sozusagen unser Hausberg. Natürlich wollen wir es uns nicht nehmen lassen, ihn von oben näher zu betrachten. Dafür stehen mehrere Möglichkeiten zu Verfügung. Ein auch im Sommer betriebener Sessellift transportiert Besucher direkt bis zum Gipfel. Dieser ist auch zu Fuß zugänglich, entweder über einen breiten Schotterweg oder aber man bahnt sich seinen Weg über felsiges Gelände ähnlich dem Noitatunturi nach oben. Im Gegensatz zu letzterem wird Kultakero im Winter intensiv fürs Skifahren genutzt. Davon zeugen zahlreiche Sessellifte und man kann sich leicht vorstellen, dass es hier in der Skisaison deutlich belebter zugeht.

Auf dem Kultakero

Oben auf dem Kultakero befindet sich Huttu-Ukon taidereitti, eine Zusammenarbeit zwischen dem örtlichen Künstler Tapio Uusitalo und dem Skizentrum. Während wir den Weg entlangschlendern, können wir die aus Holz gefertigten Kunstwerke betrachten, die alle einen Bezug zu örtlichen Legenden und der Natur aufweisen.

Wir verlassen den Kultakero. Vor uns liegt eine letzte Nacht, die doch eigentlich keine ist, in Pyhä, bevor wir uns wieder in aller Frühe mit Bus und Zug auf die Heimreise begeben werden.

Über den Autor

Finnpottblog

Auf unserem zweisprachigen Blog halten wir – das sind Miriam und Ristomatti – unsere Familien und Bekannten in Deutschland und Finnland auf dem Laufenden. Besonders gerne berichten wir von unseren Reisen in den Norden und unseren Erfahrungen dabei, finnische Rezepte in der heimischen Küche auszuprobieren. Daneben spielen auch Phänomene der finnischen Sprache immer wieder eine wichtige Rolle bei uns.

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