Norwegen Outdoor

Norwegen der Länge nach 2018

Da stehen wir nun, sind gerade eben am Nordkap angekommen. Wir grinsen uns an, machen Fotos von uns und unserer Ankunft. Es ist Mitte Oktober und seit Ende Mai sind wir unterwegs, zu Fuß durch ganz Norwegen, vom südlichsten Punkt am Kap Lindesnes bis hoch hinauf zum Nordkap. Vor ein paar Jahren habe ich diese Tour schon einmal gemacht, damals alleine, nun aber ziehe ich gemeinsam mit meiner Freundin Anni los.

Wir haben unsere Wohnung und unseren Job gekündigt, um uns diesen gemeinsamen Traum einer langen Auszeit zu erfüllen. Und nun haben wir dieses Ziel wirklich erreicht, wir stehen am nördlichen Ende Europas und können es kaum glauben, dass wir es wirklich geschafft haben! Die letzten Monate waren teils unglaublich anstrengend, aber sehr oft auch wahnsinnig schön. Eine solche Reise in wenigen Worten zu beschreiben fällt ziemlich schwer, so viel hat man an jedem einzelnen Tag erlebt. Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis wir alles einigermaßen verarbeitet haben, zu frisch sind noch all die Eindrücke, die wir unterwegs sammeln durften!

Wir machen das jetzt wirklich!

Alles beginnt mit dem wärmsten Sommer seit Jahrzehnten in Norwegen. Am 31. Mai geht es für uns am Kap Lindesnes bei bestem Wetter los. Und in den nächsten bald zwei Monaten bleibt uns das Wetterglück hold. Allerdings stellen sich uns für norwegische Verhältnisse ungewohnte Fragen: Woher bekommen wir Wasser? Wo finden wir Schatten? Uns geht die Sonnencreme aus und aufgrund von ausgetrockneten Bächen und Flüssen trinken wir verdorbenes Wasser, die Rache der Trolle sucht insbesondere mich einmal sehr heim, fesselt mich an die Toilette. Wir wollen uns einen Wasserfilter besorgen, aber so etwas ist in Norwegen kaum zu bekommen, zu gut ist normalerweise das Wasser im Fjell, um es vor dem Trinken zu filtern. Aber in diesem Sommer sind einige Bäche und Flüsse schlicht komplett ausgetrocknet.

Der Süden Norwegens ist breiter als länger, es dauert fast zwei Monate, bis wir ihn durchwandert haben, das Kap Lindesnes liegt ganz im Südwesten des Landes und wir wollen ja im Grunde immer nach Nordosten. Oft hat man das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen, aber irgendwann ist man auf der Höhe von Trondheim angelangt, von da an geht es viel direkter gen Norden, man kommt gefühlt viel schneller voran. 

Dabei bietet der Süden zahlreiche spektakuläre Gebiete, die sich gegenseitig in ihrer Schönheit überbieten. Von der Setesdals Austhei zur Hardangervidda, Skarvheimen, Jotunheimen über Rondane bis hin zum Blåfjella-Skjækerfjella-Nationalpark. 

Unterwegs machen wir länger Station in der alten Bergbaustadt Røros, von der wir uns kaum trennen können, so gut gefällt es uns dort!

Ausdauer braucht vor allem der Kopf

Kurz hinter Røros durchqueren wir die Sylane-Region, von nun an folgen wir mehr oder weniger der Grenze zu Schweden, es geht viel direkter gen Norden. Zeitweise gemeinsam mit der norwegischen Norge på langs Wanderin Åste und ihrem Hund Bison durchqueren wir den Børgefjell-Nationalpark und wandern von da an auf der Nordlandsruta, einer eher unbekannten Wanderstrecke, die sich vom Børgefjell aus nordwärts schlängelt. Wir passieren das beinahe 2000 Meter hohe Okstindan-Massiv und nähern uns immer mehr dem Polarkreis.

Im Saltfjell ist es dann endlich soweit, am 31. August überqueren wir den nördlichen Polarkreis bei bestem Wetter. Wir sind tatsächlich hierher gelaufen, was für eine Leistung, wir sind unglaublich stolz auf uns! 

Bald darauf erreichen wir Sulitjelma, eine weitere alte Bergbaustadt, früher wurde hier Kupfer abgebaut. Der Herbst zeigt sich nun in den schönsten Farben, wir können unser Glück kaum fassen, als wir nach einem Ruhetag wieder aufbrechen. Für ein paar Tage geht es nun auf die schwedische Seite der Grenze, Lappland und der Padjelanta-Nationalpark erwarten uns mit unfassbaren Lichtstimmungen und spektakulären Aussichten. Unsere Rucksäcke sind fast bis zum Bersten mit Lebensmitteln für fast 14 Tage gefüllt, weit und breit gibt es hier keine Möglichkeit etwas nachzukaufen. 

Die Saison geht, der Herbst kommt

Die Saison ist hier gerade eben zu Ende gegangen, wir werden nur noch wenige andere Wanderer treffen, genießen großartige Zeltplätze und gemütliche Hütten. Wir umrunden den riesigen Akkajaure-See auf der südwestlichen Seite und finden uns in Norwegen wieder. Nun sind wir im Narvikfjell unterwegs, und man kann sagen, dass dieses Gebiet eines unserer Favoriten auf dieser Tour ist. Die Gegend ist so abwechslungsreich, dass man sich hier an den schroffen Bergen und den weiten Ebenen kaum satt sehen kann. 

Wir gelangen zum Ende der Etappe bei Katterjåkk zur berühmten Erzbahnlinie zwischen Kiruna und Narvik. Der Herbst zeigt sich nun nicht mehr nur mit spektakulären Herbstfarben, nein, nun klopft auch schon langsam der Winter an die Türe, die Berggipfel sind teilweise mit dem ersten Neuschnee des Jahres verziert und nachts unterschreitet das Thermometer nun immer öfter den Gefrierpunkt. Dafür aber zeigt sich auch des Nachts immer wieder Lady Aurora und erhellt den spektakulären Sternenhimmel des Nordens mit zarten Grüntönen – mehr geht kaum!

Auf dem nächsten Abschnitt erwartet uns mit dem Ovre-Dividalen-Nationalpark ein alter Bekannter. Wir waren beide schon hier unterwegs und sind voller Vorfreude auf die Tage in dieser Gegend, eine echte Perle des Friluftslivs liegt hier vor uns. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Björn Klauer auf seiner Huskyfarm am Rande des Nationalparks geht es weiter. Beim Abschied scherzen wir noch über den kommenden Winter, sind uns unsicher, wann er endgültig kommen wird. 

Der Winter kommt bestimmt

Am nächsten Morgen ist es dann schon so weit, die Landschaft um uns herum ist beinahe gänzlich in Weiß getaucht, so früh und vehement hatten wir das nicht erwartet. Unsere Pläne wirft die Schneedecke in den höheren Lagen kräftig durcheinander, wir entscheiden uns, auf Nummer Sicher zu gehen und die Berge zu verlassen. Ein schwerer Entschluss, wir sind dadurch zwar sicher vor den aufkommenden Stürmen und dem vielen Neuschnee, aber nun finden wir uns auf der asphaltierten Straße wieder. Darauf haben wir nicht wirklich Lust, wir wollen in den Bergen unterwegs sein und nicht die Hauptstraße E6 bis zum Nordkap laufen, das entspricht nicht unserer Vorstellung einer schönen Tour. Herausforderungen sind ja gut und schön, sich aber die Füße auf der teils stark befahrenen Straße plattzulaufen, zählt für uns nicht dazu. 

Schweren Herzens, aber vollkommen einig entscheiden wir uns, ein Stück auszulassen und unser Glück weiter im Norden zu versuchen, da soll die Schneelage nicht ganz so extrem sein. 

Über Tromsø geht es mit dem Bus nach Alta. Und in der Tat, hier sieht es besser aus, es liegt kaum Schnee. Wir legen eine kurze Pause ein, erledigen einige Dinge, die wir nun ob des geänderten Zeitplans umdirigieren müssen. Alles fügt sich und wir brechen auf, nehmen die letzten 230 km unter die Wanderschuhe.

Schnell zeigt sich, dass uns der herannahende Winter langsam aber sicher einholt. Es wird jetzt richtig kalt und der Schnee weicht uns kaum noch von der Seite. Wir entscheiden uns zähneknirschend, die Straße nicht mehr großartig zu verlassen, die Räumfahrzeuge werden zu unseren steten Begleitern, die Fahrer kennen uns bald alle und grüßen freundlich, wenn wir uns mal wieder auf der Straße begegnen. 

Auf der Zielgeraden

Kurz vor Honningsvåg durchqueren wir den Nordkap-Tunnel, was für ein Gefühl! Es ist beängstigend und aufregend zugleich! Wir machen schnell, um endlich auf der Insel zu stehen, auf der sich das Nordkap befindet. Nach einer Nacht in Honningsvåg brechen wir auf, die letzten etwa 30 Kilometer stehen auf dem Programm. Die Vorfreude steigt, bald werden wir ankommen! Aber wollen wir das wirklich? Werden wir jemals ankommen? Wir haben einige der Konjunktive in unserem Leben gestrichen, und sind mit einer wunderbaren Tour belohnt worden!

Hier noch einige Impressionen unserer Tour:

Über den Autor

Simon pa tur

"Draußen zu Fuß unterwegs zu sein, vor allem in Norwegen – das ist die Leidenschaft von Simon Michalowicz! Zu jeder Jahreszeit ist er dort unterwegs und bereist so das Land der Mitternachtssonne, der Polarlichter und des Friluftslivs zumeist mit dem Trekkingrucksack auf dem Rücken. Den Nordlandvirus trägt er tief in sich und so zieht es ihn immer wieder für längere Touren hinauf in den Norden!"

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