Kürzlich erreichte uns die nachfolgende Leserreportage, die uns Wolken, Stürme und dramatisches Licht in Wort und Bild ganz nahebringt – die wir Ihnen natürlich auf keinen Fall vorenthalten wollen. Übrigens hatten wir in unserem letzten Fotowettbewerb eben genau dieses Thema. Falls es Sie interessiert, welches “Wetterbild” gewonnen hat, dann schauen Sie doch gerne hier bei den Gewinnerbildern.
Aber nun viel Spaß beim Lesen der Reportage… Eure Nordis-Redaktion
»Nein, wir frieren auch nicht gern!« Freunde und Verwandte sehen uns – meine Frau und mich – ungläubig an. Zwar war schon seit Längerem eher Bergen als Barcelona unser bevorzugtes Reiseziel. Aber im Winter in den Norden von Skandinavien und noch dazu auf der Suche nach »schlechtem« Wetter? Sturm, Schnee und aufgewühltes Meer erleben und vor allem fotografieren – das ist unser Ziel. Und das geht eben am besten auf den Inseln nördlich des Polarkreises.
Es ist Januar und wir sind auf den Lofoten. Die Tage sind sehr kurz. Der Wetterbericht kündigt Windstärke 8 aus Richtung West an, das ist für unser Vorhaben das Richtige. Also auf zur Küste bei Fredvang und Vikten. Brodelndes, gischtendes Meer, heftiger Wind und düstere Wolken – genau so wollen wir es haben. Den Möwen scheint das alles egal zu sein, lässig segeln sie knapp über dem Wasser. Wir packen unsere Kameras aus. Beim Wechseln der Objektive müssen wir aufpassen, dass wir sie vor dem feinen Nebel aus Salzwasser schützen, der immer wieder in der Luft liegt. Wir wählen hohe ISO-Zahlen und experimentieren mit verschiedenen Belichtungszeiten, um mal scharfe, mal bewusst verwischte Fotos zu erhalten. Die Ergebnisse sind nur schwer vorherzusehen: Sobald sich eine Welle bricht oder die Wolkendecke kurz aufreißt, führen die Einstellungen der Kameras zu anderen Resultaten.
Was ruft mir meine Frau zu? Im nächsten Moment habe ich nasse Füße. Ich hätte es wissen müssen, natürlich ist die Brandung unregelmäßig und schwappt mitunter ein paar Meter landeinwärts. Schnell wird es dunkel, wir steigen in den Mietwagen, werfen die Heizung an und nehmen Kurs auf unser Ferienhaus. Das typische Lofoten-Wetter: wechselhaft und kaum vorhersehbar. Regenschauer und Wind, Sonne und dramatisches Licht im ständigen Wechsel. Gute Voraussetzungen für tolle Fotos. Aber es geht auch anders: grauer Himmel, Dauerregen. Und das zwei Tage lang ohne Unterbrechung. Was machen wir hier eigentlich?
Dann nimmt der nächste Sturm Kurs auf die Lofoten. Windstärken um 10 sind zu erwarten. Schnell erledigen wir noch einen Einkauf, auf dem Parkplatz des Supermarktes in Svolvær herrscht hektisches Gewusel – jeder will rechtzeitig zu Hause sein. Die Anzeige vor der Brücke zu unserem Ferienhaus auf der kleinen Insel Gimsøy zeigt schon 14 m/s. Unterwegs halten wir hin und wieder an, um Fotos zu machen, auf der die Wucht des Sturmes zu ahnen ist. Nur noch schemenhaft sind Häuser zu erkennen, der Straßenrand verschwimmt im Schneetreiben und der schon einsetzenden Dämmerung. Nach wenigen Versuchen beschränken wir uns auf das Fotografieren vom Auto aus. Spätabends hat der Sturm seinen Höhepunkt erreicht und der Boden des 130 Jahre alten Holzhauses vibriert. Das Wetter auf den Lofoten – das hat viel damit zu tun, wo man gerade ist. Wir fahren die Küste entlang bei Nieselregen, hier wirkt der Golfstrom unmittelbar als »Heizung«. Die Straße schwenkt ins Innere der Insel Austvågøy, nach wenigen Minuten zeigt das Autothermometer -2 Grad an, und aus dem Regen wird Schnee. Wir vertrauen auf die Spikereifen an unserem Mietwagen.
Am Ende der Reise verbringen wir einige Tage auf der Insel Hillesøy bei Tromsø. Gemütlich ist es an einem trüben Tag beim Nachmittagskaffee. Plötzlich: zartrosa leuchtende Wolken. Auf geht’s – Wetterfotos sind nicht vom Sofa aus zu machen! Nach wenigen Gehminuten sind wir am Meer mit Blick in Richtung der Nachbarinsel Senja, die Richtung, in der die Sonne untergeht. Wir haben Glück, die Wolkendecke reißt auf und die tief stehende Sonne taucht die Szene in surreales Licht. Möwen fliegen im Gegenlicht auf und bilden eine Silhouette. Kurze Belichtungszeiten sind nötig, auch wegen der heftigen Windstöße, die uns immer wieder treffen.
Bald geht es wieder in Richtung Heimat. Nicht jeder Tag hatte pure Wetter-Dramatik zu bieten, auch Geduld war nötig. Und doch sind wir uns einig: Die Reise ins »schlechte« Wetter hat sich gelohnt. Gerne wieder – im nächsten Jahr.
Auf seinem Blog zweinachnorden.wordpress.com berichtet Nordis-Leser Karsten Zeidler mit Texten und Fotos über seine Reisen in den Norden, vor allem nach Norwegen und Schweden, aber auch nach Island und Finnland.
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